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Ein missglückter Staatsbesuch

Am 23. Oktober weilte der polnische Präsident Andrzej Duda mit einer regierungstreuen Delegation zum Staatsbesuch in Berlin. Anlass war das XIX. Deutsch-Polnische Forum, bei dem es eigentlich um „neue Überlegungen zu Europa“ gehen sollte. Doch dazu kam es nicht. Den polnischen Gästen ging es vielmehr darum, gegenüber der deutschen Seite zwei Vorwürfe zu erheben. Der erste galt den deutschen Medien, die zu Unrecht die polnische Regierung bezichtigen würden, gegen europäische Werte zu verstoßen, wo diese doch lediglich darum bemüht sei, die für das Staatswesen grundlegenden Elemente zu verbessern. Zweitens – und dies vor allem – beschwerte man sich über den Ausbau von North Stream 2. Diese Gaszufuhr aus Russland unter Umgehung von Polen müsse unbedingt gestoppt werden. Beide Themenkomplexe dominierten das deutsch-polnische Treffen und verhinderten die Debatte um zentrale Fragen Europas wie etwa die einer europäischen Migrations- und Finanzpolitik, Überlegungen zu zwei Geschwindigkeiten europäischer Integration oder den Gedankenaustauch zur Frage, was geschehen soll, falls der amerikanische Präsident in seiner Unberechenbarkeit die Sicherheitsgarantie für Europa zurückzieht. Wenn sich Polen, so war in oppositionellen polnischen Medien zu lesen, auf diese Weise aus der europäischen Diskussion zurückziehe, dann solle man sich in Warschau nicht wundern, wenn man den Einfluss auf die europäische Entwicklung verliere.

Die Fokussierung auf North Stream 2 erweckte zudem den Ein druck, gemeinsame deutsch-polnische Interessen gäbe es nicht, solange dieser Ausbau nicht gestoppt werde. Eine solche, gleichsam ultimative Forderung kann aber nicht im gemeinsamen deutsch-polnischen Interesse liegen. Es wäre ein Verzicht auf Diplomatie, wie sie gerade bei Interessengegensätzen gefordert ist, um in Gesprächen und Verhandlungen beiderseits zufriedenstellende Kompromisse zu finden. Diese Chance wurde auf dem Forum vertan.

Zudem enttäuschte Präsident Duda auf der Pressekonferenz, indem er sich als wenig kompetent erwies. Die oppositionelle polnische wertete denn auch seinen Auftritt als den bislang schlechtesten seiner Amtszeit. So antwortete er auf die Frage nach den Gründen für den Brexit mit einem Hinweis darauf, dass die EU-Kommission den Vertrieb von normalen Glühbirnen verboten habe. Man mag diese EU-Anordnung als weit überzogen kritisieren, doch mit dem Brexit hat sie rein gar nichts zu tun. Und auf die Frage nach freier Berichterstattung in den polnischen Medien konterte Duda mit dem Hinweis auf die sexuellen Übergriffe von Migranten in der Kölner Silvesternacht, über die man in der Bundesrepublik nur scheibchenweise etwas erfahren habe, während in Polen über die Vergewaltigung einer Frau unverzüglich berichtet werde.

Die rechte polnische Presse hat diesen für Präsident Duda peinlichen Auftritt noch dadurch verschlimmert, dass sie den deutschen Journalisten die Schuld dafür gaben. Sie hätten dem Präsidenten bewusst Fallen gestellt. Aus Rache für die Forderung nach einem Stopp von North Stream 2 habe man ihn „grillen“ wollen. Wie könne man da mit den Deutschen überhaupt ins Gespräch kommen? Und in Anspielung auf den von Duda oft gebrauchten und auf dem Forum wiederholten Vergleich, wonach die Situation Polens in der Europäischen Union an die Zeit der polnischen Teilungen gemahne, war auf dem rechten Portal wPolityce.pl zu lesen, Polen sei nicht das 17. Bundesland Deutschlands. Und man fragt, ob die Beziehungen der Bundesrepublik zu Polen noch Protektionismus sei oder bereits reine Verachtung.

Am 3. November kommt Bundeskanzlerin Merkel nach Warschau. Hoffen wir auf ein besseres Ergebnis ihres Besuchs.

Quellen: Bartosz Wieliński, Zemsta Niemców na polskim prezydencie? (Deutsche Rache an den polnischen Präsidenten?), Gazeta Wyborzca v. 25. 10. 2018; Jan Jakop Chromiec, Niemicka tragedia czyli jak Polacy w Berlinie strzekali dyplomatyczne sambóje (Deutsche Tragödie oder wie Polen in Berlin diplomatische Eigentore schossen) ebd.

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