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Das Europäische Solidaritätszentrum (ECS) im Visier von PiS

Das 2007 in Danzig gegründete und speziell für die deutsch-polnischen Beziehungen bedeutsame Europäische Solidaritätszentrum zählt zu den Institutionen, die bisher ohne Einfluss der PiS-Regierung ihren Aufgaben nachgehen konnten. Neben einem Museum zur Geschichte der Solidarność beheimatet das ECS das Zentralarchiv der Solidarność, eine Bibliothek sowie ein Bildungszentrum. Die Baulichkeiten des am 31. August 2011 eröffneten Zentrums wurden mit 51 Millionen € überwiegend aus EU-Mitteln finanziert.

Die laufenden Kosten wurden bisher mit 7 Millionen Zł. hauptsächlich vom Ministerium für Kultur und Nationales Erbe getragen. Die Stadt Danzig beteiligt sich mit 500 000 Zł. und die Danziger Wojewodschaft mit 200 000 Zł. Die Restsumme in Höhe von ca. 7 Millionen Zł. wird aus Eigenmitteln des Zentrums aufgebracht.

Ausgerechnet 30 Jahre nach den erfolgreichen Verhandlungen am Runden Tisch, dem überwältigenden Sieg der Solidarność-Vertreter bei den halbfreien Wahlen am 04. Juni 1989 und der anschließenden Regierungsbildung unter dem Oppositionellen Tadeusz Mazowiecki ist dieses Finanzierungskonzept nicht mehr gewährleistet. Piotr Klinski, Minister für Kultur und Nationales Erbe, hat eine Kürzung auf 4 Millionen Zł. verfügt und diese Entscheidung mit „politischen Aktivitäten“ des ECS begründet. Im Einzelnen verweist er auf ein Treffen zwischen Lech Wałęsa und Grzegorz Schetyna, dem Vorsitzenden der Bürgerplattform (PO) sowie auf die Pressekonferenz des kürzlich ermordeten Paweł Adamowicz, auf der er seine Kandidatur für das Amt des Danziger Stadtpräsidenten bekannt gab. Beide Veranstaltungen fanden in Räumlichkeiten des ECS statt und seien als „politisch“ zu qualifizieren, was mit der satzungsmäßigen Überparteilichkeit des ECS unvereinbar sei. Anzumerken ist, dass der Minister kaum interveniert hätte, wären im ECS PiS genehme Vertreter zusammen gekommen. Um diese Anschuldigungen zu klären und die Kürzung abzuwenden, hatte der Vorstand des ECS den Minister zu einem Gespräch eingeladen, doch der hatte nicht einmal geantwortet. Zudem hatte Klinski im Januar 2019 Änderungen der Ausstellung entsprechend der Geschichtspolitik von PiS sowie einen von ihm zu ernennenden Vizedirektor des ESC gefordert und die finanzielle Förderung von der Erfüllung dieser Forderungen abhängig gemacht. Der Vorstand des Zentrums hat dieses auf eine Kontrolle über das ECS hinauslaufendes Ansinnen strikt zurückgewiesen.

Auf die Mittelkürzung reagierte eine gesellschaftliche Initiative, die auf Facebook ein Spendenkonto für das ECS einrichtete. Im Verlauf von nur 30 Stunden erbrachten dort 4500 Spender die Summe von 3 Millionen Zł. Manche zahlten ihren Betrag direkt auf das Konto des Zentrums ein, so dass insgesamt über 4,4 Zł. zusammen kamen und damit die Kürzungen mehr als ausgeglichen wurden. Ein Dauerzustand ist dies allerdings nicht.

Dieser Angriff des Ministeriums wird von einer Verleumdungskampagne begleitet. Ausgelöst wurde sie durch einen PiS-Abgeordneten des Wojewodschaftsparlaments. Wörtlich erklärte er: „Beinahe in jeder Woche finden dort Treffen sowie unter Beteiligung von TVN ein präzedenzloser Kampf gegen die polnische Regierung statt. Daran nehmen auch frühere Vertreter der Volksrepublik und Funktionäre ihres Sicherheitsapparates teil, die vor einiger Zeit ihre Privilegien verloren haben. Zudem favorisiert man dort LGBT-Veranstaltungen und solche des KOD (Komitees zur Verteidigung der Demokratie).“ Das sind die üblen und üblichen gegen die Opposition gerichteten Argumente der PiS-Propaganda. Auf Nachfrage verweigerte der PiS-Abgeordnete die Angabe von Namen und blieb den Beweis für seine Behauptungen schuldig.

Quelle: Michał Tokarczuk, Radny PiS alarmuje: „ECS zaplecem dla LGBT i dawnych funkcjunariuszy SB (Ein Ratsmitglied von PiS schlägt Alarm: „ECS-Klüngel für LGBT und für frühere Funktionäre des Sicherheitsapparats), Gazeta Wyborzca v. 05. 02 2019.

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