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Eine folgenlose Affäre?

Wochenlang veröffentlichte die Tageszeitung „Gazeta Wyborzca“ Gesprächsmitschnitte, die in einem Rechtsstaat ein politisches Erdbeben ausgelöst hätten. Nicht so in Polen. Und dies kann als Anzeichen gewertet werden, dass in unserem Nachbarland die Rechtstaatlichkeit nicht mehr gewährleistet ist.

Doch der Reihe nach: Jarosław Kaczyński, Chef der nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), hatte einen ebenso fragwürdigen wie ehrgeizigen Plan; er wollte in Warschau einen bis in den Himmel ragenden Doppelturm bauen, gleichsam als Denkmal für seinen verstorbenen Zwillingsbruder Lech und – natürlich - für sich selbst. Die zu erwartenden Mieterträge sollten seiner Partei zugutekommen und ihr aufgrund der Finanzkraft die Macht auf Dauer ermöglichen.

Als Investor war der Österreicher Gerald Birgfellner, ein weitläufiger Verwandter von Kaczyński, gewonnen worden. Den Auftrag erhielt eine PiS-nahe Stiftung. Für den erforderlichen Kredit lag die Zusage der polnischen Staatsbank vor.

Die Sache hatte allerdings einen Haken: Voraussetzung für den Bau des Doppelturms war der Sieg des als Warschauer Stadtpräsident kandidierenden PiS-Kandidaten in den Herbstwahlen 2018. Doch der verlor die Wahl, und Warschauer Stadtpräsident wurde der Kandidat der oppositionellen „Bürgerplattform“ (PO). Damit war für Kaczyński klar, dass man unter diesen Umständen das erforderliche Grundstück und die Baugenehmigung für den Doppelturm nicht erhalten würde. Und Kaczyński gab seinen Plan auf.

Doch in der Zwischenzeit war Birgfellner aufgrund einer ihm erteilten Vollmacht bereits tätig geworden. Für bestimmte Dienstleitungen, u. a. für Gutachten, waren bereits erhebliche Kosten entstanden. Zudem hatte er nach eigenen Angaben auf Wunsch von Kaczyński 50 000 Zł. in einem Kuvert übergeben. Das Geld war für einen Priester bestimmt, der im Vorstand der Stiftung Sitz und Stimme hatte und sich seine Zustimmung zu dem Projekt auf diese Weise bezahlen ließ. Ein klarer Fall von Korruption.

Als Kaczyński von seinem Plan Abstand nahm, forderte Birgfellner seine finanziellen Vorleistungen zurück. Doch Kaczyński weigerte sich unter Hinweis darauf, dass noch kein Vertrag vorlag, die bereits entstandenen Kosten zu erstatten. Daraufhin übergab Birgfellner der „Gazeta Wyborzca“ die Mitschnitte, beauftragte zwei namhafte Rechtsanwälte, seine Interessen zu vertreten, und stellte Strafantrag.

Kaczyński dürfte überrascht gewesen sein, als sich herausstellte, dass der offenbar misstrauisch gewordene Birgfellner die Gespräche heimlich aufgenommen hatte, womit durch die Veröffentlichung der Mitschnitte nun eine Affäre drohte. Er versuchte daher, wenngleich vergeblich, durch Gerichtsbeschluss die Veröffentlichung der Materialien durch die „Gazeta Wyborzca“ zu untersagen. Auffällig war zudem, dass er zu diesem Zeitpunkt Justizminister und Generalstaatsanwalt Ziobro persönlich aufsuchte. Wenngleich über den Inhalt der Gespräche nichts an die Öffentlichkeit gelangte, so liegt doch die Vermutung nahe, dass es darum ging, wie seitens der Justiz auf diesen für Kaczyński und seine Partei höchst unangenehmen Vorfall zu reagieren sei.

Von besonderem Interesse ist in diesem Kontext die Rolle des Priesters. Als man ihn ausfindig machen wollte, zeigte sich, dass er unauffindbar war. Weder die Stiftung noch die Danziger Kurie kannten seinen Aufenthaltsort. Mehr zufällig gelangte man auf seine Spur. Der Gesuchte war nicht mehr als Priester tätig, sondern in einem Danziger Büro beschäftigt. Doch als man ihn dort antreffen wollte, hatte er bereits einen Urlaub angetreten und kurz darauf die Stelle gekündigt. Und niemand weiß – oder will es nicht wissen -, wo er sich aufhält. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls zeigt keinerlei Interesse, trotz des dringenden Verdachts der Korruption seiner habhaft zu werden. Inzwischen weiß man aber, dass er im Besitz einiger Immobilien ist, und da stellt sich dann doch die Frage, woher er als Priester das Geld dafür hat.

Aufgrund der eingereichten Klage nahm sich die Staatsanwaltschaft zunächst der Sache an. Birgfellner wurde zur Anhörung vorgeladen. Diese erste Anhörung verlief nach seiner Aussage korrekt. Die folgende schon nicht mehr. Weil Birgfellner nur über eine unzureichende Kenntnis des Polnischen verfügt, musste ein beim Gericht zugelassener Dolmetscher eingeschaltet werden. Am Ende der Anhörung stellte sich heraus, dass das angefertigte Protokoll nicht den Aussagen des Klägers entsprach. Es erwies sich zu Ungunsten von Birgfellner manipuliert, so dass er es auf Anraten seiner Rechtsanwälte nicht unterzeichnete.

Das Gericht setzte einen weiteren Termin an, den Birgfellner aus geschäftlichen Gründen nicht wahrnehmen konnte und dies auch dem Gericht mitgeteilt hatte. Dennoch verhängte es gegen ihn eine Geldstrafe in Höhe von 6000 Zł.

Schon wird spekuliert, dass das Gericht die Klage am Ende als unbegründet abweist, und die staatliche Propaganda tut derweil alles, um Birgfellner die Glaubwürdigkeit abzusprechen und die Angelegenheit als Bagatelle herunterzuspielen.

Dies ist im Augenblick der Stand der Dinge. Der Beitrag wird entsprechend der noch folgenden Geschehnisse ergänzt.

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