PiS kämpft um die Wählerstimmen des Dorfes
In Polen hat der Europawahlkampf begonnen. Für PiS steht viel auf dem Spiel. Nachdem sich die meisten Oppositionsparteien zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben, könnte PiS die Europawahl im Mai verlieren. Abgesehen davon, dass die Kaczyński-Partei dann mit weniger Abgeordneten im Europaparlament vertreten wäre, würde eine solche Wahlniederlage auch für PiS auf die im Herbst anstehenden Parlamentswahlen negative Auswirkungen haben und ihre jetzige absolute Mehrheit gefährden, sie zu einer Koalitionsregierung nötigen oder möglicherweise gar ganz von der Macht verdrängen. Um dieser Gefahr zu begegnen, kämpft PiS vor allem um die Stimmen auf dem flachen Land, zumal die letzten Kommunalwahlen gezeigt haben, dass die Bevölkerung der großen und mittleren Städte den Kandidaten der Opposition ihr Vertrauen schenkten.
PiS stilisiert sich somit als die Partei des polnischen Dorfes und tritt damit in Konkurrenz zur PSL, der traditionellen Bauernpartei, die sich dem überparteilichen Bündnis angeschlossen hat.
Als Beispiel für die von PiS verfolgte Wahlstrategie sei im Folgenden eine dörfliche Wahlveranstaltung beschrieben. Sie fand in der örtlichen Turnhalle statt. In großen Lettern das Wahlmotto: „In Treue zum polnischen Dorf“. Dazu die Auflistung der „Pięta“, Kaczyńskis Wahlgeschenke, wonach Familien bereits für das erste Kind monatlich 500 Zł. und die Rentner eine 13. Rentenzahlung erhalten. Für den ländlichen Bereich besonders wichtig, der Ausbau des Kommunikationsnetzes.
Angereist waren die Spitzenpolitiker von PiS: Parteichef Kaczyński, Premier Morawiecki sowie die Minister für Landwirtschaft und Umwelt. Als erster sprach Kaczyński „Unsere tiefe Hochachtung gegenüber dem Dorf veranlasst mich zu der Bitte: Geht zu dieser Wahl. Ich weiß, manchen gilt sie als nicht sonderlich wichtig. Aber ich bitte Sie: Geben Sie ihre Stimme der Partei des polnischen ‚Dorfes. […] Die Erde, auf der wir uns befinden, besitzt eine große Tradition, besitzt ungewöhnliche Menschen. Sie kämpften gegen alle Feinde unserer Nation, errangen den Sieg.“
Nach diesem allgemeinen und nationalen Aufruf wurde Kaczyński konkreter. Das Ziel seiner Partei sei es, Dorf und Stadt das gleiche Lebensniveau zu verschaffen, die noch bestehenden Unterschiede zu reduzieren. PiS werde sich bemühen, dass die Fördermittel der EU für die Landwirtschaft weiterhin nach Polen fließen. Aber dazu sei es notwendig, bei der Europawahl für PiS zu stimmen. Was die EU Polen an Fördermittel zahle, sei im Übrigen kein Gnadengeschenk. Darauf habe man Anspruch. Und man wolle mehr als man gegenwärtig bekomme. Bisher wären auf Polen lediglich 8% der Fördermittel entfallen. Man werde dafür kämpfen, dass dies mehr werde. (Dabei weiß Kaczyński nur zu gut, dass angesichts des Brexit mit Kürzungen zu rechnen ist. Abgesehen davon könnte Polen Sanktionen wegen der Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit drohen.) Dazu versprach er 100 Zł. für jedes Schwein und 500 Zł. für jede Kuh.
Nach Kaczyński sprach Premier Morawiecki. Auch er rief zunächst dazu auf, zur Wahl zu gehen. „Manche fragen sich, wozu im Mai wählen? Doch fragen wir nicht, wozu, sondern für wen. Für euch, für die polnischen Landwirte, für das polnische Dorf, für seine gute Entwicklung. Denn in Brüssel, wohin wir unsere besten Vertreter entsenden, werden die für das polnische Dorf wichtigsten Dinge beschlossen.“ Und mit Blick auf die Opposition, die in der III. Republik fast durchgängig die Regierung stellte, sagte er: „Ihre Tätigkeit ist eines der größten Übel, welche die III. Republik dem polnischen Dorf und der polnischen Stadt zugefügt hat. (Dabei hat sich in dieser Zeit Polen durch die zugegebenermaßen mit großen Belastungen verbundene Transformation politisch, wirtschaftlich und zivilisatorisch enorm entwickelt.)
Auch Morawiecki sparte nicht mit Versprechungen: „Wenn ein Landwirt vor dem 40. Lebensjahr einen Hof übernimmt, erhält er vom Staat 150 000 Zł. an Direkthilfe, davon 70% für Maschinen und Bauten.“
Um die Bauern vor westlichen Importen zu schützen und die Bevölkerung zum Kauf einheimischer Produkte zu animieren, will der Landwirtschaftsminister, wie er dies auf der Wahlkampfveranstaltung sagte, Kartoffeln künftig durch Fähnlein in den Nationalfarben weiß-rot kennzeichnen. Zudem attackierte er Władysław Kosiniak-Kamycz, den charismatischen Vorsitzenden von PSL: „Er ist ein nicht praktizierender Arzt aus Krakau, der sich als Bauer ausgibt, doch vom polnischen Dorf keine blasse Ahnung hat.“
Ob sich diese nationale, mit kaum zu realisierenden Versprechungen versehene Wahlkampfstrategie für PiS auszahlt, wird der Ausgang der Europawahl im Mai zeigen.
Quelle: Agata Kondzińska, Eurowybory. Kaczyński obiecuje dopłaty na krowy i tuczniki: Głosujcie na partie polskiej wsi! (Europawahlen. Kaczyński verspricht Zuzahlungen für Kühe und Schweine. Wählt die Partei des polnischen Dorfes!), Gazeta Wyborzca v. 06. 04. 2019.