Antisemitische Manifestation in £ódź
Am 30. April hielt direkt vor der Polizeikommandantur in £ódź ein Wagen. Der Fahrer stieg aus und holte aus dem Kofferraum einen Galgen, an den er eine einen Juden darstellende Puppe knüpfte. Es war die nicht die erste symbolische Erhängung eines Juden in Polen. Vor einiger Zeit fand eine ähnlich öffentliche Aktion in reslau statt, ohne dass dies nennenswerte Konsequenzen für den Täter gehabt hätte.
In £ódź geschah dies vor den Augen der Polizei, die den Vorgang lediglich fotografierten und die Personalien des „Henkers“ feststellten, der sich dadurch in Wahrnehmung seiner Meinungsfreiheit behindert sah und dies auch zum Ausdruck brachte. Nicht die Polizei, sondern zufällig anwesende Passanten schritten ein und beseitigten Galgen und Puppe.
Der Täter, nach eigenen Worten ein „Aktivist zur Befreiung Polens von der amerikanisch-jüdischen Freimaurerei“, verkündete stolz: „Ich habe den Juden gehenkt. Ich habe das getan.“ Dabei klebte er auf das Gesicht der Puppe ein Jakob Berman zeigendes Foto. Der war in der stalinistischen Zeit unmittelbar nach Kriegsende Mitglied des Politbüros der kommunistischen Partei, zuständig für den Sicherheitsapparat und damit für die gnadenlose Verfolgung der Opposition verantwortlich. 1957 wurde er aus der Partei ausgeschlossen; 1984 verstarb er. Dass dieser „Aktivist“ der Puppe das Gesicht dieses Mannes verlieh, kann nur in dem Sinn gedeutet werden, dass er grundsätzlich in jedem Juden eine Bedrohung der polnischen Nation sieht, und dies, obwohl es nach dem Holocaust in Polen kaum noch Juden gibt.
Diese antisemitische Demonstration fand zudem an einem von den Schrecken des Holocaust gezeichneten Ort statt – mitten im einstigen Getto von Litzmannstadt, in das die Nazis £ódż umbenannt hatten. Von den 200 000 Juden, die in diesem Getto zusammengepfercht lebten, entgingen nur schätzungsweise 5 - 12 Tausend ihrer Ermordung. Nahebei gab es auch ein Lager für jüdische Kinder bis zu ihrem 16. Lebensjahr, die zu harter Zwangsarbeit verdammt waren und über deren Schicksal wenig bekannt ist. Ein an ihre Leiden erinnernder Gedenkstein wurde Tage vor der Manifestation vor der Polizeikommandantur mit einem Hakenkreuz beschmiert. All dies geschah in der Stadt des Lyrikers Julian Tuwim und des letzten Kommandeurs des Warschauer Aufstandes Marek Edelman.