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Der Genius und sein Elektorat

  • Theo Mechtenberg
  • 5. Juni 2019
  • 2 Min. Lesezeit

Zum 30. Jahrestag der halbfreien Wahlen vom 04. Juni 1989, die das Ende kommunistischer Herrschaft bedeuteten und den Weg zu einem demokratischen Polen eröffneten, veröffentlichte die „Gazeta „Wyborcza“ ein Interview mit dem auch hierzulande bekannten Schriftsteller und Verleger Andrzej Stasiuk. Im Folgenden zitiere ich daraus einen Passus, der auf die aktuelle Situation des von Stasiuk ironisch als „Genius“ bezeichneten Jarosław Kaczyński und der ihm ergebenen Wählerschaft Bezug nimmt.

„Bequemer ist es ein Pole zu sein als ein freier Mensch, denn Freiheit bedeutet Wahlentscheidung, Risiko, Polentum dagegen beinhaltet eine Konstante.

Zudem weiß man nicht, wohin die Freiheit uns führt, das Polentum aber führt uns für gewöhnlich in die Vergangenheit – am häufigsten in eine imaginäre - doch in eine bekannte und sichere. Und du brauchst nichts zu tun. Du wirst, zufällig übrigens, als Pole geboren und hast sie aus dem Kopf. Eine von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod festgefügte Karriere. Das gefällt den Leuten, denn das befreit sie vom gesamten Rest.

Dabei wird niemand manipuliert: Nach all den Jahren, in denen sich die Leute mit aller Gewalt modernisieren und zivilisieren sollten, erschien der Genius, der ihnen heilige Ruhe versprach. Ein solcher Deal: Ihr gebt uns eure Stimme, und wir sagen euch, dass ihr super seid, weil von polnischer Nationalität.

Ein Genius des Ressentiments. Dieser Genius sagt mir, dass es in jeder Gesellschaft eine Gruppe von Menschen gibt, die zu ihm passen. Menschen von geringer Aktivität und großen Erwartungen. Menschen, die sich der Illusion hingeben bzw. tatsächliche Misserfolge anderen anlasten. Menschen, welche die eigenen Ängste und Komplexe als eine aus der realen Welt kommende Bedrohung wahrnehmen. Aus ihnen schuf er sich sein eisernes Elektorat. Aus den eigenen Komplexen, dem eigenen Unglück, der eigenen Einsamkeit schuf er sich etwas, das bewirkt, dass die Masse ihm folgt. Weil er selbst zur Masse gehört. Er sagte dem Souverän, dass solche wie sie in Ordnung sind, dass nur der Rest der Welt dies nicht zu schätzen weiß. Und die Leute lieben derlei Worte. So wie sie es lieben, dass die Macht nichts von ihnen verlangt. Außer ihre Stimmabgabe.“

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