Affäre im Justizministerium
Es gab bereits einige Affären, in die die Kaczyński-Partei verwickelt war: Die bis heute nicht aufgeklärte, bei der in einem Restaurant Gespräche führender Politiker der Bürgerplattform (PO) abgehört worden waren, die später über die Medien als diskriminierendes Material verbreitet wurden. Der Skandal trug wesentlich dazu bei, dass PO die Parlamentswahlen verlor und PiS 2015 an die Regierung kam. Der Hauptbeschuldigte sitzt in Haft, wobei sein Aufenthaltsort geheim gehalten wird. Im Prozess wurde eine Verquickung von PiS in die Abhöraffäre nicht aufgeklärt, doch der Hauptbeschuldigte, der sich seiner Haft zunächst durch seine Flucht nach Spanien entzogen hatte, dann aber an Polen ausgeliefert wurde, behauptet, im Auftrag von PiS gehandelt zu haben.
Auch die Affäre um den von Jarosław Kaczyński geplanten und nicht zur Ausführung gelangten Warschauer Doppelturm ist für PiS, insbesondere für Kaczyński, belastend. Der beauftragte Investor, ein über seine Gattin mit dem Kaczyński-Clan verbundener Österreicher, fordert die von ihm bereits investierten Gelder zurück, was ihm Kaczyński verweigert. Zudem beschuldigt er den Chef von PiS der Korruption. Doch der wurde bis heute in der Sache nicht vernommen, wie überhaupt die polnische Justiz das Verwahren grundlos n die Länge zog, was die Anwälte des Österreichers veranlasst hat, es nach Wien zu verlagern.
Und nun die Affäre im Justizministerium. Seit 2016 gab es dort eine geheim operierende Gruppe „Kasta“, die man als eine kriminelle Vereinigung bezeichnen muss. Neben dem von ihr geführten Vizeminister gehörten ihr weitere Mitarbeiter des Landesjustizrates sowie des Obersten Gerichtes an. Ihre Namen versteckten sie hinter Pseudonyme. Ihre Aufgabe sahen sie darin, diskriminierendes Material gegen Richter zu sammeln, die sich gegen die rechtswidrige Justizreform stellten und diese scharf kritisierten. So wurde etwa ermittelt, dass ein gewisser von Gersdorf als Kreuzritter vor über 400 Jahren gegen Polen gekämpft hat. Ohne dass es dafür einen Beweis gibt, wurde er als ein Vorfahre von Magdalena Gersdorf, der von PiS bekämpften Vorsitzenden des Obersten Gerichts ausgegeben und entsprechend diffamiert. So wurde behauptet, sie stünde in der Tradition des Verrats an Polen und sei eine verkappte Deutsche. Vor Hasskommentaren im Netz konnte sich Frau Gersdorf kaum mehr retten.
Zur Verbreitung des Materials wurde die Frau eines Mitglieds der „Kasta“ gewonnen, die bereits im Netz aktiv war und die PiS nahestehenden Medien das Material zuspielte. Diese als „Emi“ operierende Frau hat, aus welchen Gründen auch immer, nun die Machenschaften von „Kasta“ offengelegt und das von ihr auf der Festplatte gespeicherte, die „Kasta“ belastende Material teilweise der Gazeta Wyborcza und ihrem Anwalt zur Verfügung gestellt. In einer ausführlichen Stellungnahme hat sie sich nun für ihr Handeln öffentlich entschuldigt. Als eine politisch stark rechts eingestellte Person habe sie anfänglich im guten Glauben gehandelt, bis ihr die Verwerflichkeit ihres Tuns bewusst geworden sei.
Wie belastend ist diese Affäre für PiS? Welchen Einfluss hat sie auf die im Oktober anstehenden Parlamentswahlen? Eine Blitzumfrage ergab, dass die Partei fünf Prozentpunkte eingebüßt hat. Ist Justizminister Ziobro selbst in diese kriminellen Machenschaften verwickelt? Schwer zu glauben, dass er von ihnen nichts gewusst haben will, zumal es in dem Matrerial Indizien für seine Mitwisserschaft igbt. Tritt er zurück? Tut er es, wie es aussieht, nicht, dann ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass Polen unter PiS keine Demokratie im westliche Sinne ist.
Die Regierung versucht, die Affäre als Auseinandersetzung unter Richtern herunterzuspielen. Premier Morawiecki hält sie mit der von Ziobro verfügten Entlassung seines Vizeministers für erledigt. Dabei besitzt sie alle Anzeichen eines polnischen Watergate.