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Kommt ein verschärftes Abtreibungsverbot?

  • Theo Mechtenberg
  • 15. Nov. 2019
  • 3 Min. Lesezeit

Der Streit um ein Abtreibungsverbot ist in Polen nicht neu. Er entbrannt erstmals Anfang der 1990er Jahre, als Polens Kirche versuchte, ein absolutes Abtreibungsverbot gesetzlich durchzusetzen. Der Versuch scheiterte am massiven Widersand innerhalb der Gesellschaft und führte zu einem Kompromiss, der bis heute Bestand hat. Der sieht einen Schwangerschaftsabbruch in drei Fällen vor, bei Gefährdung des Lebens der Mutter, nach einer Vergewaltigung und bei einer unheilbaren Schädigung der Leibesfrucht.

In der letzten Legislaturperiode brach der Streit erneut aus. Den Auftakt zu dem Streit bildeten zwei Projekte, über die der Sejm nach einer emotional geführten Debatte am 3. Januar 2018 abgestimmt hat. Das von der linken Politikerin Barbara Nowacka eingebrachte Projekt sieht die Möglichkeit eine Schwangerschaftsunterbrechung bis zur 12. Woche vor. Der von PiS und der Kirche unterstützte Vorschlag der konservativen Abgeordneten Kaia Godek ist gegenüber dem geltenden Recht insofern verschärft, als er selbst bei einer unheilbaren Schädigung der Leibesfrucht einen Schwangerschaftsabbruch nicht erlaubt.

Das linke Projekt erhielt nicht die erforderliche Mehrheit zur Weiterleitung an die Sejmkommission, so dass zur Weiterbehandlung allein die restriktive Gesetzesvorlage übrig blieb. Doch zur Verabschiedung eines die Abtreibung verschärfenden Gesetzes kam es nicht. Zu massiv waren die Proteste, zumal die der schwarz gekleideten Frauen, die sowohl der Kirche als auch den Politikern das Recht absprachen, in dieser Frage über sie zu entscheiden.

Das Gesetz lag seitdem auf Eis Das linke Projekt erhielt nicht die erforderliche Mehrheit zur Weiterleitung an die Sejmkommission, so dass zur Weiterbehandlung allein die restriktive Gesetzesvorlage übrig blieb. Doch zur Verabschiedung eines die Abtreibung verschärfenden Gesetzes kam es nicht. Zu massiv waren die Proteste, zumal die der schwarz gekleideten Frauen, die sowohl der Kirche als auch den Politikern das Recht absprachen, in dieser Frage über sie zu entscheiden.

Das Gesetz lag seitdem beim Verfassungsgericht auf Eis. Das sollte seine Rechtmäßigkeit prüfen, spielte aber angesichts der Proteste im Land auf Zeit. Doch nun wurde bereits auf der ersten Sitzung des neuen Sejm vom Vorsitzende der extrem rechten „Konföderation für Unabhängigkeit und Freiheit“ endlich die längst überfällige Entscheidung des Verfassungsgerichts gefordert, um damit den Weg für die Verabschiedung eines verschärften Abtreibungsgesetzes frei zu machen. Auch Staatspräsident Andrzej Duda meldete sich zu Wort. In dem zum Medienimperium von Pater Rydzyk gehörenden Fernsehsender Trwam erklärte er, ein verschärftes Abtreibungsverbot, falls vom Sejm verabschiedet, zu unterschreiben. Und einen Tag nach der Konstituierung des neuen Sejm veröffentlichte Erzbischof Staniław Gądecki, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, ein Kommuniqué, das die Verzögerungstaktik des Verfassungsgerichts kritisiert: „Die fehlende Entscheidung des Verfassungsgerichts bewirkt, dass in den folgenden Jahren huderte Kinder nur deswegen getötet werden, weil sie schutzlos und durch das Schicksal geschädigt sind.“ Unter Berufung auf eine Erklärung des Erfassungsgerichts aus dem Jahr 1997 heißt es weiter: „Der Wert des verfassungsmäßig geschützten Wohls des menschlichen Lebens, darunter das sich in der pränatalen Phase entwickelnden Lebens, lässt keine Differenzierung zu. […] Mit dem Moment der Entstehung menschlichen Lebens ist dieses daher verfassungsmäßig geschützt.“ Der Vorsitzende der Bischofskonferenz beschließt sein Kommuniqué mit dem Ausdruck des Bedauerns darüber, dass PiS ihr Wahlversprechen aus dem Jahr 2014, das menschliche Leben vom Augenblick der Empfängnis an, zu schützen, nicht eingehalten hat.

Es sind keine neuen Positionen und Argumente, die hier zur Sprache kommen. Die bestehende Regelung ist schließlich das Ergebnis einer mit Protesten begleitete Auseinandersetzung zwischen der von der politischen Linken geforderten weitgehenden Freigabe der Abtreibung und einem von der polirischen Rechten geforderten scharfen Abtreibungsverbots. Der Anfang der 1990er Jahre erzielte Kompromiss ist der Preis für den sozialen Frieden, der nun erneut in Gefahr steht, aufgekündigt und durch eine weitere gesellschaftliche Polarisierung ersetzt zu werden.

Wie polarisiert die polnische Gesellschaft in der Abtreibungsfrage ist, zeigen jüngste statistische Erhebungen. Danach gibt es keine Mehrheit für ein verschärftes Abtreibungsverbot. Zwar lehnen 62% der PiS-Wähler die von der Linken geforderte Freigabe der Schwangerschaftsunterbrechung bis zur 12. Woche ab, doch 30% sprechen sie immerhin für sie aus. Die Anhängerschaft der Opposition würde mit 77% die liberale Lösung begrüßen, und lediglich 19% sprechen sich gegen sie aus. Ohne Berücksichtigung von Wählerpräferenzen sind 53% der polnischen Bevölkerung für eine Lockerung der geltenden Regelung und 40% dagegen. Selbst die Mitglieder der Kirche sind in dieser Frage gespalten. 50% befürworten die Fristenregelung, 43% lehnen sie. Nur unter den Gläubigen, die Sonntag für Sonntag den Gottesdienst besuchen, gibt es mit 60% eine die Fristenregelung ablehnende Mehrheit. Dieses Ergebnis besagt aber nicht, dass es unter streng gläubigen Katholiken eine Mehrheit für eine vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz geforderte verschärfte Abtreibungsgesetzgebung gibt.

Diese Umfrageergebnisse sprechen eigentlich dafür, es bei der jetzigen gesetzlichen Regelung zu belassen und den einmal erzielten Kompromiss nicht in Frage zu stellen. Geschieht dies dennoch, dann wird es mit Sicherheit massive Proteste geben, die das von Kaczyński und seiner PiS geschaffene politische System erschüttern könnten. Die Frage ist, ob der Chef der nationalkonservativen Partei dieses Risiko eingehen wird.

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