Die ungewöhnliche Amtsniederlegung eines Neupriesters
- Theo Mechtenberg
- 2. Jan. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Bereits höchst ungewöhnlich ist es, dass ein Priester einige Monate nach seiner Weihe sein Amt aufgibt. Normalerweise geschieht dies erst nach Jahren. Doch ungewöhnlich sind auch die Umstände, unter denen ein polnischer Neupriester aus dem Amt schied. Sein Name: Tymoteusz Szydło, Sohn der ehemaligen Ministerpräsidentin und jetzigen Europaabgeordneten Beata Szydło. Als Grund für sein Ausscheiden aus dem Priesteramt gab er zu seinem Bedauern an, es sei ihm nicht gelungen, „die Glaubens- und Berufungskrise zu bewältigen.“ Der Fall erregte aufgrund seiner prominenten Mutter öffentliches Aufsehen. Die Gerüchte schossen ins Kraut: Eine Frau sei im Spiel; er sei Vater eines Kindes. Die üblichen Mutmaßungen. All dies ließ der Neupriester durch seinen Anwalt dementieren. Und er gab zumindest einen Grund, wohl den wichtigsten, für seine Entscheidung preis – die politische Ausnutzung seines Priestertums durch die Kaczyński-Partei, die er leider geduldet habe: „Mir ist bewusst, dass der Bekanntheitsgrad, den ich niemals gewollt habe, mit den Funktionen verbunden ist, die meine Mutter erfüllt. Heute ist mir klar, dass ich eine Reihe von Fehlern begangen habe, und zwar aufgrund von Kontakten mit den Medien. Dies vor allem nach den Weihen, als ich mich nicht gegen Versuche wehrte, mich mit einer bestimmten politischen Option in Zusammenhang zu bringen. Das war niemals mein Ziel und niemals meine Absicht, aber es mangelte mir an Willenskraft, gegen mich betreffende Veröffentlichungen zu protestieren. Schlimmer noch: Ich ließ mich in Vorgänge verwickeln, die fälschlicherweise als politische Unterstützung verstanden werden konnten.“ Konkret gemeint sind publikumswirksame Messfeiern mit ranghohen PiS-Politikern sowie die Instrumentalisierung des durch seine Mutter populären Jungpriesters im Wahlkampf seiner Mutter.
Dieser Fall des Neupriesters Szydło weckte zudem das Interesse an der grundsätzlichen Frage, inwieweit auch Polen von der allgemeinen Priesterkrise erfasst ist. Der Befund ist ernüchternd. Die letzten offiziellen Daten von Amtsniederlegungen stammen aus dem Jahr 2016. Sie weisen die Rekordzahl von 86 Amtsniederlegungen auf, 31 mehr als 2015. Der Vergleich zu den Vorjahren zeigt eine ständig steigende Tendenz.
Was die Zahl der Priesterberufe betrifft, so ist diese zwar immer noch die weitaus höchste in Europa, allerdings deutlich abnehmend. Gab es 2010 noch 675 Seminareintritte, so waren es 2019 nur noch 324. Innerhalb von zwei Dekaden beträgt der Rückgang 60%. Die Priesterkrise hat damit auch Polen erreicht.
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