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75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau

Am 27. Januar 1945 erreichten Einheiten der Roten Armee das Lagertor mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“. Hinter den Drahtverhauen befanden sich noch etwa 7000 kranke, ausgezehrte und zu Tode erschöpfte Häftlinge, die von der Evakuierung und dem Todesmarsch verschont geblieben waren. Zurückgelassen hatte die SS-Wachmannschaft zudem den Leichenberg von 600 erschossenen oder an Erschöpfung verstorbenen Lagerinsassen. Ein Anblick, der die Befreier zutiefst erschütterte. Ihnen dämmerte es im Übrigen erst nach und nach, um welchen Ort unmenschlichen Grauens es sich handelte, denn von der Existenz dieses Vernichtungslagers hatten sie zuvor keine Ahnung.

Jahr für Jahr findet in Auschwitz aus Anlass der Befreiung eine Gedenkveranstaltung statt. Rund 1200 Journalisten aus aller Welt und 200 inzwischen hoch betagte ehemalige Häftlinge hatten die weite Reise nach Auschwitz nicht gescheut. Auch zahlreiche Staatspräsidenten und Ministerpräsidenten zählten zu den Gästen, unter ihnen der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Russland war durch seinen Warschauer Botschafter vertreten. Insgesamt anwesend waren 60 internationale staatliche, politische, kirchliche und regierungsunabhängige Delegationen.

Mit dem israelischen Präsidenten Reuwen Riwlin sprach Präsident Duda noch vor Beginn der Gedenkveranstaltung. Auf der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz erklärte er, dass er vor vier Tagen zu seinem Bedauern an dem Gedenken in Jerusalem nicht hat teilnehmen können, weil ihm nicht erlaubt worden sei, so wie die Vertreter der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs in Yad Vashem zu sprechen. Angesichts der Tatsache, dass Polen an vielen Fronten gekämpft haben, müsse die Zugehörigkeit der polnischen Nation zum Kreis der Alliierten anerkannt werden. Er bezog sich auch auf die antipolnischen, die Geschichte verfälschenden Aussagen des russischen Präsidenten im Vorfeld des Auschwitz-Forums und äußerte die Hoffnung, dass diese international zurückgewiesen würden. Zudem sprach er sich ausdrücklich für eine enge sicherheitspolitische und militärische Zusammenarbeit mit Israel aus.

Der israelische Präsident betonte seinerseits die deutsche Alleinschuld am Holocaust, verwies aber auch darauf, dass die Täter in vielen europäischen Ländern ihre Helfer gehabt hätten. Selbst Juden seien in diesem Zusammenhang an Juden schuldig geworden. Als Gebot der Stunde benannte er den Kampf gegen den wachsenden Antisemitismus und Neofaschismus. Das Gedenken an die Opfer des Holocaust sei auch aus diesem Grund unverzichtbar.

Der israelische Präsident bezog sich, wenngleich indirekt, auch auf den geschichtspolitischen polnisch-russischen Streit. Er warnte davor, das Verhältnis zwischen Polen und Israel durch Probleme politisch instrumentalisierter Geschichtsdeutung zu belasten. Man solle die historische Forschung den Experten überlassen.

Zu weiteren Gesprächen lud er Präsident Duda nach Jerusalem ein.

Das Wichtigste an diesem 75. Jahrestag war das Zeugnis der Betroffenen. Vier ehemalige Häftlinge, die das Grauen von Auschwitz überlebt haben, betraten die Bühne in dem großen Zelt, das allen Angereisten Platz bot. Sie konnten aus eigenem Erleben Zeugnis geben. Dabei ging es nicht wie im Auschwitz- und Eichmann-Prozess der 1960er Jahre um die Wahrheitsfindung. Von den Anwesenden musste niemand von dem überzeugt werden, was an diesem Ort des Grauens geschehen ist. Aber immer wieder neu hören müssen wir die Zeugen, damit wir ihre Botschaft nicht vergessen. Doch haben wir zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz noch solche Zeugen zur Verfügung? Können hoffen, dass ihr Zeugnis auch über ihren Tod hinaus wirksam bleibt, wenn es nur noch medial vermittelt werden kann?

Anders als auf dem Auschwitz-Forum kommen traditionell auf der Gedenkveranstaltung in Auschwitz nicht Politiker, sondern ausschließlich ehemalige Häftlinge zu Wort. Doch in diesem Jahr gab es eine Ausnahme. Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda, der in Yad Vashem nicht zu Wort gekommen war, nutzte die Gelegenheit dieser Gedenkveranstaltung zu einer Rede. Er konzentrierte sich ganz auf die Bedeutung von Auschwitz als Ort und Symbol des Holocaust. „Hass, Chauvinismus, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus nahmen hier die Form eines extremistischen Mordens an, einer Todesfabrik.“ Was an diesem Ort geschah, sei schwer begreifbar, dürfe aber niemals vergessen werden.

Duda verwies darauf, dass die Bemühungen der Nazis nicht zur Gänze gelungen seien, dass Zeugen der Vernichtung entgingen, der Ort des Geschehens erhalten geblieben ist und nun dem Gedenken diene. Er erinnerte an die Verpflichtung, die sich die überlebenden Häftlinge selbst auferlegt haben, alles zu tun, damit sich Auschwitz in der Geschichte nicht wiederhole, und er rief dazu auf, sich diese Botschaft zu Eigen zu machen.

Der polnische Präsident betonte zudem Polens besondere Verpflichtung, das Gedenken an Auschwitz zu pflegen. Das aber sei – wie in einem Kommentar zu lesen war – kein Ausschließlichkeitsanspruch. Vertreter vieler Nationen hätten an diesem Ort gelitten. Auschwitz bedeute daher kein rein polnisches, sondern ein allgemein menschliches Vermächtnis. Es sei daher nicht hinnehmbar, wenn etwa Premier Morawiecki den Internationalen Auschwitz-Rat für überflüssig halte.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der aus Anlass dieses 75. Jahrestages, von drei ehemaligen Häftlingen begleitet, erstmals Auschwitz besucht hat, schrieb in das Memoriale: „Wer den Weg in die Barbarei von Auschwitz kennt, der muss den Anfängen wehren. Das ist Teil der Verantwortung, die keinen Schlussstrich kennt.“

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