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Der Wahlkampf hat begonnen

Am 15. Februar wurde in Polen der Wahlkampf um das Präsidentenamt offiziell eröffnet Die regierende Kaczyński-Partei “Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hatte dazu in die Warschauer Expo-Halle eigeladen, um Präsident Andrzej Duda als ihren Kandidaten für eine zweite Amtszeit zu präsentieren. Doch die Halle konnte den Andrang ihrer Anhänger nicht fassen. Viele mussten frustriert draußen bleiben oder in einem Nebenraum das Geschehen auf der Leinwand verfolgen. Ganz nach dem Muster amerikanischer Wahlen zeigten sie Plakate mit der Aufschrift „Duda 2020“.

Als erster sprach Parteichef Jarosław Kaczyński. Er pries den Kandidaten in den höchsten Tönen. Duda sei kein Karrierist. Er habe sich nie vorgedrängt; sein politisches Talent sei bei seiner Bescheidenheit von anderen entdeckt worden. 2014 sei er im Grunde als aussichtloser Kandidat ins Rennen um das Präsidentenamt gegangen und habe doch die Wahlen gewonnen. Er sei auch heute der „Präsident unserer Träume“. Es gäbe kaum ein Mensch mit solchen Vorzügen. Dass er sich nun für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stelle sei „eine gute Nachricht für Millionen von Polen, die sich ein gerechtes, starkes, in Europa bedeutsames und unabhängiges Polen wünschen.“ Und – in Anspielung auf die Opposition - eine schlechte Nachricht für all jene, die dies nicht wollen.

Kaczyński versäumte es nicht, an seinen 2010 beim Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Zwillingsbruder Lech, den damaligen Staatspräsidenten, zu erinnern. Was dieser für Polen bedeutet habe, verkörpere Duda als sein Nachfolger – ein patriotisch wirkungsvolles Argument, das Premier Morawiecki anschließend aufgriff, indem er Duda als dessen Testamentsvollstrecker bezeichnete.

Es fehlte in der Rede von Kaczyński auch nicht die gewohnte Verdrehung von Tatsachen: Während die Opposition die Verfassung gebrochen habe, erweise sich Duda als Wächter über die politische Ordnung, über die Verfassung und das Recht. Siegesgewiss beendete er seinen Auftritt.

Andrzej Duda dankte Kaczyński für seine Worte. Er lobte die Reformen, die er gemeinsam mit der Regierung durchgeführt habe und die fortgeführt werden müssten. Auch er bediente sich der schon diabolischen Verdrehung: Das Justizwesen brauche Reformen, damit Polen ein Rechtsstaat sei, mit klugen, unabhängigen Richtern, die selbständig zu denken vermögen. Dabei betreibt Duda gemeinsam mit der Regierung nach Einschätzung der Richterschaft, der Opposition und der Europäischen Kommission das genaue Gegenteil.

Interessant ist, was weder Kaczyński noch Duda zur Sprache brachten: Die Inflation von 4,4%, die höchste seit acht Jahren; das sehr langsame Wirtschaftswachstum, das weit hinter den Erwartungen der Regierung zurückbleibt; die Ankündigung neuer sozialer Wohltaten wie vor den letzten Wahlen; ein Hinweis auf die fast zwei Milliarden Zł. für das staatliche Fernsehen TVP, eine mächtige Finanzspritze, die für den Wahlkampf von PiS zur Verfügung steht, statt dass sie, wie von der Opposition gefordert, der Onkologie zu Gute kommt.

Die Eröffnung des Wahlkampfes durch PiS wirft die Frage auf, an welches Elektorat ihre Wahlpropaganda adressiert ist? Offenbar an Wähler, die Angst haben, durch einen Sieg der Opposition könne für sie das bislang Erreichte verloren gehen. Vor die Alternative gestellt, Stabilität durch die Wahl von Duda oder Unsicherheit und Veränderungen durch einen Oppositionskandidaten, hofft PiS, dass sich die Masse der Wähler für Stabilität entscheidet, und das selbst auf Kosten demokratischer Grundrechte, die in dem Bemühen, sie mit Hilfe eines von der Opposition gewählten Präidenten wiederherzustellen, eine Staatskrise heraufbeschwören würde, wie dies PiS in ihrer Wahlpropaganda suggeriert.

Die Art und Weise dieser Wahlkampferöffnung durch PiS lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, was Polen erwartet, sollte Duda die Präsidentschaftswahl gewinnen – ein autoritäres, wenn nicht diktatorisches System. Die Prognosen sehen ihn gegenüber seinen Mitkandidaten deutlich in Führung. Doch es ist unwahrscheinlich, dass er bereits am 10. Mai im ersten Wahlgang gewählt wird. Die Stichwahl bietet somit die Chance, ihm den Sieg letztlich streitig zu machen. Doch dazu müssten die ausgeschiedenen Kandidaten ihre Anhänger dazu aufrufen, für den Gegenkandidaten von Duda zu stimmen, gleich welche politische Formation er vertritt.

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