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Der Direktor des Warschauer Museums Polin verliert rechtswidrig sein Amt

Das 2005 gegründete und 2013 feierlich eröffnete Warschauer Museum Polin ist der Geschichte der polnischen Juden gewidmet. Unter seinem Direktor Dariusz Stola erwarb es sich in kurzer Zeit weit über Polen hinaus einen ausgezeichneten Ruf. Nach Ablauf seiner Amtszeit hatte sich Professor Stola erneut um die Leitung des Museums beworben und den ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Es bedurfte nur noch der offiziellen Ernennung durch Kultusminister Piotr Gliński; eigentlich eine Formalität. Es vergingen neun Monate, ohne dass der Minister tätig geworden wäre. Zudem erhielt Prof. Stola davon Kenntnis, dass Minister Gliński vor Zeugen erklärt hatte, Stola unter keinen Umständen zu ernennen. Daraufhin verzichtete dieser zum Wohl des Museums auf seinen Rechtsanspruch. Polin wird nun übergangsweise von seinem Stellvertreter und engen Vertrauten Zygmund Stepiński, geleitet.

Im Widerspruch zur Geschichtspolitik von PiS

Dass sich Prof. Stola der Geschichtspolitik von PiS versagt, macht ihn bei den Nationalkonservativen unbeliebt. In ihrem Geschichtsverständnis besitzt ein patriotischer Heroismus Priorität, während die dunklen Schatten bestenfalls eine Fußnote bilden. Damit setzt sich PiS deutlich von der liberalen Vorgängerregierung ab, die den Antisemitismus samt seiner bedrohlichen Konsequenzen bewusst machte und bekämpfte sowie die Verstrickung von Polen in die Judenmorde der Okkupationszeit nicht unter den Teppich kehrte, was – worauf Prof. Stola ausdrücklich verweist - im westlichen Ausland als beachtenswerte Leistung der polnischen Demokratie gewürdigt wurde und worauf die Polen Stolz sein könnten, statt die, wie sie es nennen, „Pädagogik der Scham“ vehement abzulehnen.

In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, wie stark diese nationalistisch gefärbte Geschichtspolitik die kulturelle Förderung bestimmt. Es entstehen neue, den patriotischen Heroismus verherrlichende Museen, während das von Donald Tusk, dem früheren Premier und Hauptfeind von PiS, gewünschte und geförderte Museum des Zweiten Weltkriegs, das dieses Kriterium vermissen lässt, von der PiS-Regierung faktisch liquidiert wurde. Am Ende bekam auch Prof. Stola diese Entwicklung zu spüren.

Rechtswidrig und schädlich

Dass Kulturminister Gliński sich weigerte, Prof. Stola in seinem Amt zu bestätigen, überrascht dennoch angesichts der Reputation, die er persönlich und das von ihm geleitete Polin im In- und Ausland genießen. Auch die enormen Fördermittel, die er aus dem Ausland erhielt, sind Zeichen der Anerkennung seiner Leistung. Und noch vor einiger Zeit hatte er Präsident Andrzej Duda durch die große Ausstellung geführt und anschließend von ihm gehört, jeder Pole solle sie sich ansehen. Auf einen solchen Mann verzichtet man normmalerweise nicht.

Die Behandlung, die Prof. Stola durch den Kulturminister erfahren hat, schadet zudem dem Ansehen Polens im Ausland. Und sie ist rechtswidrig. Minister Gliński hätte ihm die Nominierung nach gewonnener Ausschreibung unter Angabe der Gründe rechtlich verweigern können, doch neun Monate untätig zu bleiben und keine Entscheidung zu treffen, das ist rechtswidrig. Eine derart unverhohlene Ausnutzung der eigenen Machtposition eines Ministers hat es bislang in Polen nicht gegeben.

Falsche Anschuldigungen

Im Vorfeld dieses Skandals wurden bereits falsche Anschuldigungen gegen Prof. Stola erhoben und gezielt verbreitet. So soll er sich geweigert haben, eine Konferenz zu den Verdiensten des beim Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Präsidenten Lech Kaczyński um den jüdisch-polnischen Dialog zu veranstalten. Doch dass diese Konferenz nicht zustande kam, lag nicht an ihm. Trotz aller Bemühungen war es dem Direktor von Polin nicht gelungen, sich mit dem Kooperationspartner, der Lech-Kaczyński-Gesellschaft, über die Wahl der Referenten zu verständigen. Der reagierte nicht einmal auf Mails, auch nicht auf Anrufe – eine klare Verweigerung der Kooperation. Zudem hatte sich der Vertreter der Lech-Kaczyński-Gesellschaft bei Prof. Stolla beschwert, dass ein Konferenzsaal zwar den Namen des verstorbenen Millionärs Jan Kulczyk trägt, von dem das Museum zu dessen Lebzeiten 20 Millionen Zł. erhalten hatte, doch keines der Auditorien Präsent Lech Kaczyński gewidmet ist, der allerdings auf der großen Eingangstafel erwähnt wird.

Auch die von Prof. Stola organisierte Ausstellung „Fremd im eigenen Haus. Der März `68“ stieß bei den Nationalkonservativen auf Kritik. Die damaligen Studentenproteste hatte die kommunistische Regierung mit einer antisemitischen Kampagne beantwortet, die Tausende Juden aus ihrer polnischen Heimat vertrieb. In den rechten Medien wurden Prof. Stola und das Museum attackiert, weil in der diesem Drama gewidmeten Ausstellung eine im Übrigen durchaus berechtigte Verbindung zum gegenwärtig in Polen vorhandenen Antisemitismus hergestellt wurde.

Ein dritter Vorwurf betrifft die von Prof. Stola geübte Kritik an dem Gesetz, das jeden mit Gefängnis bedroht, der eine Mitschuld von Polen am Holocaust behauptet. Wie berechtigt seine Kritik angesichts der zahlreichen von Polen an Juden verübten Morde ist, zeigt sich darin, dass dieses Gesetz wie ein Bumerang auf Polen zurückschlug. Es drängte angesichts der Proteste Israels und des Weltjudentums die PiS-Regierung in die Defensive, so dass sie sich zu einer Rücknahme genötigt sah. Habe PiS – so Prof. Stola – mit diesem Gesetz die Absicht verfolgt, im Ausland den guten Namen Polens zu verteidigen, dann müsse es aufgrund der gegenteiligen Wirkung als beispielhaft im Buch der Rekorde verzeichnet werden.

Der Streit um Fördergelder

Polin erhielt beträchtliche Fördermittel aus dem Ausland, u.a. aus Norwegen. Vor einigen Jahren waren es drei Millionen € für ein Projekt zum jüdischen kulturellen Erbe. Seine Verifizierung führte dazu, dass es durch eine weitere Million unterstützt wurde. Weitere 10 Millionen € wurden Prof. Stola für ein auf sechs Jahre terminiertes Projekt zugesagt. Diese Summe weckte offenbar den Appetit des Kulturministers. Anfang 2018 wurde der Direktor von Polin ins Kulturministerium gebeten, wo ihm eröffnet wurde, diese 10 Millionen € seien für ein einziges Projekt zu viel Geld. Von dieser Summe solle ein erheblicher Teil für ein Warschauer Gettomuseum abgezweigt werden. Doch dieses Gettomuseum gibt es gar nicht. Es ist bestenfalls im Kulturministerium geplant. Prof. Stola verweigerte seine Zustimmung und verlangte eine schriftliche Erklärung des Ministers als Bestätigung, dass der Zugriff auf die Polin seitens der norwegischen Regierung zur Verfügung gestellten Gelder sein ausdrücklicher Wille ist. Diese Erklärung erhielt er nicht. Nach längerem Schweigen wurde das Projekt vom Kulturministerium ohne weitere Auflagen akzeptiert, doch bis heute sind die 10 Millionen € nicht freigegeben. Und kaum zufällig findet sich Prof. Stola seit diesem Zeitpunkt massiven Angriffen durch PiS treu ergebene Medien ausgesetzt.

In Kenntnis dieser Fakten erscheint der „Fall Stola“ als Amtsmissbrauch, der ihn zu einem Opfer von Rechtlosigkeit und fabrizierter Lügen macht. Die Konsequenzen solchen Handelns wiegen schwer. Im Ausland nimmt das Ansehen Polens Schade, und wer sich im Inland an einer Ausschreibung beteiligt, der muss damit rechnen, dass über die Wahl des Kandidaten nicht dessen Qualifikation entscheidet, sondern seine treue Ergebenheit gegenüber PiS.

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