Ein unfairer Wahlkampf
Am 10. Mai sollen in Polen die Präsidentschaftswahlen stattfinden. Und dies trotz der Coronakrise. Gebetsmühlenartig wiederholen Jarosław Kaczyński und seine nationalkonservative Partei, dass man an diesem Termin unbedingt festhalten werde. Man habe alles unter Kontrolle und könne die Wahlen so durchführen, dass für die Bevölkerung keine Gefahr bestünde. Dabei kann man sich derzeit noch auf eine geringe Zahl von Infizierten stützen. Am 26. März sind es 1051 gemeldete Fälle bei 14 Toten. Aber man steht auch 14 Tage hinter der Entwicklung in Deutschland zurück. Allerdings hat Polen früher als die Bundesrepublik zu scharfen Maßnahmen gegriffen, so dass man hofft, die Seuche werde sich nicht so schnell und nicht so weit ausbreiten wie in den westlichen Ländern. Eine Hoffnung, mehr nicht.
Es fehlen in der Gesellschaft nicht die Stimmen, die eine Verlegung der Wahlen fordern. Virologen zeigen sich besorgt und halten die Abhaltung der Wahlen am 10. Mai für verantwortungslos. Donald Tusk, der frühere Premier und EU-Ratspräsident, bedient sich harter Worte. Diese Sturheit sei „eine Idiotie und ein Verbrechen“.
Dass PiS unbedingt am 10. Mai die Bürger zu den Urnen bittet, hat den einen Grund – den sicheren Sieg von Andrzej Duda im ersten Wahlgang. Umfragen zeigen, dass er 64% der Stimmen bekommen wird und damit eine Stichwahl vermeiden würde, bei der er auf maximal 44% der abgegebenen Stimmen käme und die Möglichkeit bestünde, dass die zu erwartende Gegenkandidatin von der Bürgerplattform bei Unterstützung der gesamten Opposition Duda noch schlagen könnte. Allerdings würde die Wahlbeteiligung am 10. Mai bei mageren 30% liegen, weil die potentiellen Wählerinnen und Wähler der Gegenkandidaten zumeist zu Hause blieben.
Natürlich haben auch Dudas Gegenkandidaten eindringlich die Verlegung der Wahl gefordert. Schließlich können sie angesichts der stark eingeschränkten Bewegungsfreiheit während der Coronakrise keinen Wahlkampf führen, während Duda – natürlich nicht als Wahlkämpfer, sondern in seiner Funktion als regierender Präsident - im Kampfanzug durch das Land fährt, dazu ständig im staatlichen Fernsehen zu sehen ist und sich als Retter der Nation vor dem Coronavirus stilisiert. Ein höchst unfairer Wahlkampf also. Unter diesen Umständen die Wahl am 10. Mai stattfinden zu lassen, würde sie zu einer politischen Farce machen und der aufgrund der Justizreform ohnehin bereits geschädigten Demokratie in Polen weiteren Schaden zufügen.