Die Diskussion um einen neuen Termin für die Präsidentschaftswahlen
Nachdem die Präsidentschaftswahlen am 10. Mai abgesagt wurden, stellte sich die Frage nach einem neuen Termin. Um ihn festzulegen, traf sich das Präsidium des politischen Komitees von PiS, dem ihre wichtigsten Politiker angehören. Nach wie vor war man der Auffassung, dass die Wahlen baldmöglichst stattfinden sollen. Und dies aus dem einfachen Grund, weil nach allen Umfragen Staatspräsident Duda gleich im ersten Wahlgang die erforderliche Stimmenzahl erreichen und eine Stichwahl vermieden würde, bei der das Risiko besteht, dass am Ende doch noch die Kandidatin oder der Kandidat der Opposition den Sieg davon trägt. Je länger die Pandemie andauere und je mehr die sozialen und wirtschaftlichen Lasten für die Bevölkerung erkennbar werden, umso größer, so die Meinung unter den führenden PiS-Politikern, die Wahrscheinlichkeit, dass Duda seinen Vorsprung in den Umfragen einbüßt.
Man verständigte sich auf den 23. Mai, den letztmöglichen Termin auf der Basis des Gesetzes zur allgemeinen Briefwahl, dem zwar der Senat die Zustimmung verweigert hatte, das aber vom Sejm dennoch verabschiedet und von Präsident Duda unterzeichnet worden war.
Gowin verweigert Kaczyński die Gefolgschaft
Allerdings ließ sich dieser Vorschlag kaum mit dem Deal vereinbaren, den Kaczyński und Gowin in der Nacht vom 6. zum 7. Mai eingegangen waren. Entsprechend legte denn auch Gowin, der zu den Beratungen hinzugezogen worden war, ein Veto ein. Er und die Abgeordneten seiner Partei „Verständigung“ würden diesen Vorschlag im Sejm ablehnen. Damit würde er nicht die erforderliche Mehrheit erhalten und sich die Vereinigte Rechte zudem in einer mit allen Unwägbarkeiten verbundenen Regierungskrise befinden.
Am Ende einigte man sich auf einen Wahltermin Ende Juni, Anfang Juli. Die Kandidatur der bisherigen Bewerber solle erhalten bleiben, doch auch neue Kandidaturen seien möglich. Nicht die Post, sondern die Wahlkomitees sollen für die Durchführung der Wahlen verantwortlich sein. Auch nahm man von der allgemeinen Briefwahl Abstand. Wer möchte, der könne von ihr Gebrauch machen, doch die Wahllokale würden für alle offen sein.
Ein neuer Anlauf
Dieser Vorschlag wurde als Gesetzesvorlage am 12. Mai zur Behandlung und Abstimmung in den Sejm eingebracht. Ohne die Einwände der Opposition zu berücksichtigen, gelangte er zur Abstimmung und wurde mit der Mehrheit abgegebener Stimmen angenommen. Nun musste der Senat das Gesetz begutachten und am Ende hatte es der Präsident zu unterzeichnen. Eile war geboten, sollte der von PiS in Aussicht genommene Wahltermin wahrgenommen werden. PiS versuchte denn auch, auf den Senat entsprechenden Druck auszuüben. Eine Verzögerung oder gar Ablehnung käme einer Destabilisierung der politischen Ordnung in Polen gleich, für die dann der Senat die Verantwortung zu tragen hätte.
Kandidatenwechsel bei der Bürgerplattform (PO)
Zudem gab es eine Änderung der Kandidatenliste. Die Bürgerplattform (PO) tritt mit einem neuen Bewerber an. Die bisherige Kandidatin Małgorzate Kidawa-Bloński zog angesichts ihrer geringen Zustimmungswerte ihre Kandidatur zurück. Am 10. Mai trat der Parteivorstand zusammen, um einen neuen Bewerber für das höchste Staatsamt zu wählen. Zwei Kandidaten standen zur Wahl, der frühere Außenminister Radosław Sikorski und der Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski, der dem linken Flügel von PO zugerechnet wird. Nach fünfstündigen Beratungen entschied man sich einstimmig für Trzaskowski. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren ermittelte Umfragewerte, nach denen der Warschauer Stadtpräsident gegenüber Sikorski größere Chancen hat, Duda zu besiegen. Er gilt zudem als ein harter Kämpfer, der sowohl sachlich als auch rhetorisch in der Lage ist, die Politik von PiS scharf zu attackieren. Dafür lieferte er auf der ersten Pressekonferenz nach seiner Nominierung ein deutliches Beispiel, indem er die Liquidierung des staatlichen Fernsehens TVP-Info und der Nachrichtensendung „Wiadomości“, die als reine Propagandainstrumente von PiS dienen, ankündigte. Und die dieser Fernsehanstalt jährlich zugesprochenen 2 Milliarden Zł. würden dem Gesundheitswesen zugutekommen. Auf Anhieb erzielte Trzakowski denn auch gute Umfrageergebnisse, die zwar noch weit hinter denen von Duda zurückstehen, die er aber im Laufe des Wahlkampfes weiter ausbauen dürfte.
Verfassungsrechtliche Probleme
Für den eingetretenen Fall, dass eine Präsidentschaftswahl kurzfristig abgesagt wird und ein neuer Termin bestimmt werden muss, gibt es in der polnischen Verfassung keine Regelung. Ihn, wie von PiS geschehen, eigenwillig auf den 28. Juni bzw. auf Anfang Juli festzulegen, dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. Entsprechend wandte sich eine Gruppe angesehener Juristen an die Opposition, unter keinen Umständen diese von PiS vorgesehene und vom Sejm abgesegnete Lösung zu akzeptieren. Man müsse sich vielmehr an den in der Verfassung vorgeschriebenen Wahlmodus halten, der keine Verschiebung der Wahlen vorsieht, sondern für diesen Fall faktisch eine Neuwahl. Grundsätzlich stünden hier zwei Möglichkeiten zur Entscheidung: Entweder die Festlegung des Wahltermins 100 Tage bzw. spätestens 75 Tage vor Ablauf der Amtszeit des Präsidenten oder nicht später als 14 Tage nach Ablauf seiner Amtszeit. Die erste Möglichkeit, wonach der letztmögliche Wahltermin der 23. Mai gewesen wäre, scheide wegen Überschreitung der Frist aus. So bleibe nur die zweite Möglichkeit, also ein Wahltermin im August.
Am 26. Mai befasste sich der Senat mit der Gesetzesvorlage des Sejm. Am Morgen gab es Gespräche mit der Opposition, um die Mittagszeit tagte die für Gesetzesvorhaben zuständige Kommission. An diesem Tag kam es im Senat zu heftigen Diskussionen, in denen es an Beleidigungen nicht mangelte. Die Minderheit der PiS-loyalen Senatoren mühte sich um Akzeptanz der Gesetzesvorlage, die für die Präsidentschaftswahl den 28. Juni vorsieht. Senatsmarschall Grodzki kündigte für Anfang Juni die Entscheidung des Senates an, von der PiS befürchtete, die Senatsmehrheit werde die Gesetzesvorlage zurückweisen
Kaczyńskis Drohgebärde.
Auf die Vorgänge im Senat reagierte Jarosław Kaczyński am Tag darauf, indem er bekräftigte, dass in der Frage des Wahltermins bereits alles entschieden sei. Die Wahlen würden am 28. Junis stattfinden. „Es gibt keine Möglichkeit, daran irgendetwas zu ändern. Die Derartiges betreiben, stiften Verwirrung und halten die Konstitution für ein Nicht. […] Sollte es Versuche geben, sich dem zu widersetzen, dann werden wir alle Mittel ausschöpfen, damit das Recht vollstreckt wird, damit die fundamentaale Institution der Demokratie, nämlich die Wahlen, in Polen Tatsache werden.“
Letztendliche Einigung
Zu der befürchteten Zuspitzung kam es indes nicht. Es gab zwischen PiS und der Opposition Geheimgespräche, bei denen man sich offenbar auf den 28. Juni als Termin für die Präsidentschaftswahlen verständigt hat. Der Senat nahm das Gesetz über die Wahlen an und schlug lediglich einige Verbesserungen vor. Daraufhin wurde es vom Sejm angenommen. Auch die Staatliche Wahlkommission hatte sich für den 28. Juni ausgesprochen. So konnte Sejmmarschall Elżbieta Witek am 03. Juni den Termin offiziell bekannt geben. Die Wahllokale werden geöffnet sein, und wer dies wünscht, der kann seine Stimme per Briefwahl abgeben. Die zu erwartende Stichwahl wird vor dem 06 August erfolgen, also vor dem Tag, an dem die Präsidentschaft von Andrzej Duda endet. Ob er auch der neue Präsident sein wird, das wird sich zeigen.