Antisemitischer Skandal an der Katholischen Universität Lublin (KUL)
- Theo Mechtenberg
- 14. Apr. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Wer geglaubt hat, der zu den Gründungsmythen des europäischen Antisemitismus zählende jüdische Ritualmord gehöre der Vergangenheit an, der irrt sich. In Polen jedenfalls kann ein Professor ungestraft öffentlich behaupten, Juden hätten christliche Kinder geraubt, sie getötet und ihr Blut zur Herstellung der Matzen für das Pessach verwendet. Die in den Archiven lagernden Akten rechtsgültiger Prozesse würden dies zweifelsfrei bestätigen.
Dieser Skandal liegt gut zwei Jahre zurück. Er ereignete sich auf einer von der zum Medienimperium von Pater Rydzyk gehörenden Kirchenzeitung „Nasz Dziennik“ organisierten Veranstaltung, auf der der an der KUL lehrende Priester und Professor Tadeusz Guz u. a. sagte: „Meine Damen und Herren, wir wissen, dass sich diese Fakten, nämlich die Ritualmorde, nicht aus der Geschichte tilgen lassen.“
Der Gemeinsame Rat von Christen und Juden reagierte prompt. Er appellierte an den Rektor der KUL sowie an den Lubliner Erzbischof, öffentlich Stellung zu beziehen und gegen Professor Guz Disziplinarmaßnahmen einzuleiten. Die Pressesprecher der Kurie wie der KUL verurteilten daraufhin die Aussage von Professor Guz als „unwahr“ sowie als „Schädigung des guten Namens der Erzdiözese und der KUL.“ Zudem wurde ein Disziplinarverfahren gegen Guz eröffnet.
Das Verfahren zog sich erstaunlicherweise in die Länge und war nach zwei Jahren noch nicht abgeschlossen. In dieser Zeit gab es sowohl in der Leitung der Erzdiözese als auch im Rektorat der KUL einen Wechsel. Im Oktober 2020 wurde unter den neuen Herren das Verfahren schließlich eingefroren.
Der Gemeinsame Rat von Christen und Juden meldete sich erneut zu Wort und forderte eine klare Stellungnahme. Diese erfolge im März 2021 durch die Disziplinarkommission der KUL. Sie erklärte, bei der Frage nach jüdischen Ritualmorden handele es sich um einen bislang ungelösten Diskurs, in dem Professor Guz bemüht sei, „aufgrund wissenschaftlicher und didaktischer Arbeit die Wahrheit herauszufinden und aufzuzeigen. Auch wenn sie für die jüdische Gesellschaft schwer annehmbar ist, so beruht sie doch auf einem Wissen, das auf zugänglichen Materialquellen basiert und durch wissenschaftliche Analysen gewonnen wurde.“ So kommt denn die Kommission zu dem Schluss: „Man kann Professor Guz nichts vorwerfen, denn unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden bestätigte er die von Juden verübten Ritualmorde, und seine gute Absicht beweist sein Gebet für die Juden.“
Was tut es zur Sache, dass die angeblichen Fakten jüdischer Ritualmorde wissenschaftlich längst widerlegt sind, dass sie als Vorwand von Judenverfolgungen sowie als Rechtfertigung des Antisemitismus dienten und dass mit Beginn des 18. Jahrhunderts die Päpste die Verbreitung dieser falschen und gefährlichen Vorwürfe untersagt und die Juden vor ihnen verteidigt haben.
Seine Aussage über die angebliche Faktizität jüdischer Ritualmorde ist nicht die einzige Auffälligkeit, mit der der von Präsident Andrzej Duda ausgezeichnete Professor das Interesse der Öffentlichkeit auf sich lenkt. Auch sonst sind von ihm Dinge zu hören, worüber der aufgeklärte Zeitgenosse bestenfalls nur höchst verwundert den Kopf schütteln kann. So etwa wenn er in Radio Maryja oder im Fernsehsender Twram behauptet, die ökologische Bewegung sei „ein grüner, atheistischer, materialistischer und nihilistischer Neomarxismus.“ Und geradezu gemeingefährlich ist das, was Guz zur gegenwärtigen Pandemie zu sagen hat: „Eine massenhafte Teilnahme an der heiligen Messe führt nicht zu einem Anstieg der Infektionen, denn Gott wird dies zu verhindern wissen.“ Ebenso gehe vom Kommunionempfang keine Gefahr aus, denn schließlich handele es sich hier um „einen heiligen Akt, der keine Ansteckung zulässt.“
Bedauerlich ist allerdings, dass Professor Guz mit seinen „Wahrheiten“ die einst hoch angesehene KUL in Misskredit bringt, fragt man sich doch, was von einer Universität zu halten ist, die einen solchen Pseudowissenschaftler in ihrem Lehrkörper duldet.
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