Die Konferenz der Botschafter meldet sich zu Wort
Zu den Gremien, welche die Politik der Kaczyński-Partei und ihrer Regierung kritisch verfolgen, zählt auch die „Konferenz der Botschafter“. Es handelt sich um den Zusammenschluss ehemaliger polnischer Botschafter aus der Ära, bevor PiS die Regierungsgewalt übernahm. Ihre jüngste, am 11. Juli 2021 veröffentlichte Verlautbarung ist ein acht Punkte umfassendes Papier mit dem Titel „Der Preis ist die Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union“.
1. „[…] Eine Reihe rechtswidriger Maßnahmen der PiS-Regierung veranlasst den Europäischen Gerichtshof zu einem Urteil, das die bisherigen Beschlüsse zusammenfasst und – wahrscheinlich – zu der Feststellung gelangt, dass die in den letzten Jahren durch PiS eingeführte Justizreform den fundamentalen Prinzipien demokratischer Staaten widerspricht, Prinzipien, die zu den gemeinsamen Werten der Europäischen Union gehören .“ Die „Konferenz der Botschafter“ verweist zudem auf weitere Verstöße, so auf die radikale Politisierung des Verfassungsgerichts sowie auf die Leugnung einer Priorität des EU-Rechts vor dem Recht eines EU-Mitgliedstaates.
2. „Diese Vorgänge sind `keine Rechtsstreitigkeiten`. Sie betreffen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Sie entscheiden darüber, ob Polen noch ein demokratischer oder bereits ein autoritärer Staat ist und ob damit Polen noch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union gebührt. […]“
3. „Für zivilisierte Staaten gilt international das Prinzip `pacta sunt servanda`. […] Diese Regel ist gleichfalls in der polnischen Verfassung enthalten (Art. 9). […] Im Beitrittsvertrag hat sich Polen zur Wahrung der Beschlüsse der Grundlagenverträge bekannt. […] Diese bilden die Grundlage der Europäischen Union und stellen eindeutig die Ausschließlichkeit des Europäischen Gerichtshofs für die Interpretation des EU-Rechts fest sowie die Pflicht der EU-Mitgliedstaaten, die Beschlüsse des Gerichtshofs umzusetzen.“
4. Eben dies stellen Anträge von Premier Morawiecki und einer Gruppe PiS-Abgeordneter in Frage und damit die der Mitgliedschaft in der Europäischen Union zugrunde liegenden Prinzipien. „Im Grunde handelt es sich um Anträge, die auf einen Ausschluss Polens aus der Gemeinschaft der EU-Mitgliedstaaten zielen. […} In diesem Kontext kann man zu recht vermuten, dass es die politische Absicht von PiS ist, Polen aus der Europäischen Union herauszuführen, um eine uneingeschränkte Macht zu besitzen.“
5. Die „Konferenz“ erinnert daran, dass der Beitrittsvertrag in Polen rechtskräftig ratifiziert wurde, nachdem zuvor die Bürgerinnen und Bürger in einem Referendum mit 77,45% ihre Zustimmung erteilt hatten. Eine Verletzung der in der EU geltenden Prinzipien ist somit „nicht nur ein Bruch der Regel pacta sunt servanda, sondern zugleich ein schwerer Verstoß gegen die Verfassung.“
6. Die „Konferenz“ betont, dass die Mitgliedschaft Polens in der EU nicht nur den Binnenmarkt betrifft. Sie zitiert den damaligen Außenminister Krzysztof Skubiszewski aus seiner Rede vom 21. Mai 1992: „Unser Verlangen nach Mitgliedschaft hat vor allem einen politischen Charakter. Es geht uns darum, dass ein für alle Male das Gespenst des Totalitarismus verschwindet und in Zukunft die Demokratie in unserem Land gesichert wird. Zum anderen geht es uns darum, unserem Land einen sicheren Platz in Europa zu garantieren.“
7. „Unabdingbare Voraussetzung für die Erlangung der Mitgliedschaft in der EU war der Beitritt zum Europarat und zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Dies verband sich mit der Anerkennung der Jurisdiktion des Europäischen Gerichts für Menschenrechte. {…] Autoritäre Staaten fürchten dagegen internationale Institutionen wie der Teufel das Weihwasser. […] Sie beanspruchen für sich die ganze Macht, wollen nach eigenem Gutdünken über das Los und die Rechte der Menschen entscheiden sowie die ökonomische Freiheit so beschränken, dass die Wirtschaft einer einzigen Partei dient und die Profite Funktionären und ihren Familien zu Gute kommen.“
8. „Die Jurisdiktion internationaler Gerichte in Frage zu stellen, ist ein Schlag gegen die Rechte der Bürger und Unternehmen, ist ein Signal, dass Polen durch die PiS in Richtung eines autoritären Staates gelenkt wird.“
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