Erneute Verurteilung Polens durch den Europäischen Gerichtshof
Am 15. Juli 2021 fällte der Europäische Gerichtshof ein bedeutsames Urteil, indem er feststellte, dass die polnische Disziplinarkammer mit dem EU-Recht unvereinbar ist. Beanstandet hatte dies bereits 2019 die Europäische Kommission und vor einem Jahr beim Europäischen Gerichtshof Feststellungsklage erhoben.
Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist die Disziplinarkammer weder unabhängig noch neutral, weil sie mit Personen besetzt ist, die durch den als politisches Organ geltenden Landesjustizrat berufen wurden und der daher bezüglich der Unabhängigkeit „begründete Zweifel erweckt“.
Es ist bereits das dritte Mal, dass der Europäische Gerichtshof Polen wegen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit verurteilt hat. Im Frühjahr 2019 betraf dies die „Säuberung“ des Obersten Gerichts durch Zwangsemeritierung und im Herbst des gleichen Jahres die Änderung des Pensionsalters von Richtern, womit sich die PiS-Regierung die Möglichkeit verschaffte, missliebige Richter in den Ruhestand zu schicken und durch ihr treu ergebene Richter zu ersetzen.
Noch am gleichen Tag, an dem der Europäische Gerichtshof sein Urteil verkündete, konterte das polnische Verfassungsgericht und verschärfte den Konflikt. Es stellte fest, dass Polen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für den Bereich des Justizwesens nicht respektieren muss. Gleichzeitig stellte es in Aussicht, Anfang August auf einen entsprechenden Antrag von Premier Morawiecki zu antworten. Zu erwarten ist, dass das polnische Verfassungsgericht feststellen wird, dass juristische Fragen außerhalb der Kompetenz von EU-Institutionen liegen und daher für Polen nicht bindend sind.
Diese Position des ganz unter PS-Kontrolle stehenden Verfassgsgerichts ist höchst verwunderlich, ist doch die Priorität des EU-Rechts vor dem Recht der EU-Mitgliedstaaten im Lissaboner Vertrag festgeschrieben, der 2007 von Staatspräsident Lech Kaczynski unterschrieben wurde.
Die Konsequenz dieses Konflikts könnte sein, dass die EU-Kommission Polen die Finanzhilfe aus dem Wiederaufbaufonds sperren wird, indem sie den von Polen vorgelegten Plan nicht akzeptiert. Und das aus guten Gründen, denn die Voraussetzung für die Vergabe der Gelder ist ein Kontrollsystem, das ihre rechte Verwendung garantiert. Das aber ist bei fehlender Unabhängigkeit und aufgrund politischer Abhängigkeit des Justizwesens nicht gegeben.
In diesem Sinn ist denn auch die EU-Kommission tätig geworden. Sie setzte der polnischen Regierung eine Frist bis zum 16. August für die Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Konkret bedeutet dies die unverzügliche Einstellung jeglicher Tätigkeit der Disziplinarkammer. Lässt Polen diese Frist verstreichen, dann wird sich die Europäische Kommission erwartungsgemäß an den Europäischen Gerichtshof wenden, damit dieser Polen eine finanzielle Strafe auferlegt, die sich von Tag zu Tag erhöht, bis die Forderung des Europäischen Gerichtshofs erfüllt ist. Sollte Polen die Zahlung verweigern, dann könnten die Polen zugedachten Milliarden Euro des Wiederaufbaufonds gesperrt werden.
Dass Brüssel diese Möglichkeit erwägt, zeigt sich daran, dass die EU-Kommission den von der polnischen Regierung vorgelegten Plan zur Umsetzung dieser Finanzmittel bis jetzt nicht bestätigt hat.
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