Lukaszenko im Konflikt mit den Kirchen
- Theo Mechtenberg
- 1. Okt. 2020
- 1 Min. Lesezeit
Die Frage, wie man sich zu der gefälschten Präsidentenwahl und den brutal unterdrückten Protesten hunderttausender Weißrussen zu verhalten habe, stellte sich auch der orthodoxen sowie der unter Polen im westlichen Belarus verbreiteten katholischen Kirche. Nachdem der orthodoxe Patriarch Pawel Präsident Lukaszenko zu seiner angeblich gewonnen Wiederwahl gratuliert, diese Geste aber angesichts der Proteste und des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten widerrufen hatte, galt er in den Augen von Lukaschenko als ein zu beseitigender Feind. Eine Intervention beim Moskauer Patriarchen Cyryl, dem unmittelbaren Vorgesetzten von Patriarch Pawel, genügte, dass dieser seines Amtes enthoben wurde.
Auch der für die weißrussischen Katholiken zuständige Erzbischof Tadeusz Kondruszewicz hatte sich bei Lukaszenko unbeliebt gemacht, weil er in einem Gespräch mit dem Innenminister, wenngleich vergeblich, darauf gedrängt hatte, der Gewalt gegen friedliche Demonstranten Einhalt zu gebieten, die er zudem öffentlich verurteilt hatte. Doch seine Absetzung ließ sich nicht wie die des Minsker orthodoxen Patriarchen bewerkstelligen. So wurde Erzbischof Kondruszewicz, der sich mit einer Delegation im westlichen Ausland befand, die Rückkehr nach Belarus verweigert. Damit befindet sich Lukaszenko in einem ernsten Konflikt mit der katholischen Kirche sowie außerdem mit weiten Teilen orthodoxer Christen.
Absurd mutet in diesem Zusammenhang an, was der Chef des russischen Auslandgeheimdienstes, Sergiej Naruszkin, von sich gab: Der CIA habe eine spezielle Provokation vorbereitet, die eine Verhaftung, ja sogar eine Ermordung des populären und einflussreichen katholischen Erzbischofs vorsehe. Kommentatoren rätseln, was dies wohl zu bedeuten habe, und kommen zu dem Schluss, dass es sich wohl um eine Warnung an Lukaszenko handle, sich mit der katholischen Kirche anzulegen.
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