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Polens nationalkonservative Regierung im Niedergang


Seit zwei Jahren bestimmt in ihrer nunmehr zweiten Amtszeit die von der Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) geführte Regierung die Geschicke Polens. Und zwei Jahre dauert es noch bis zu den Parlamentswahlen im Herbst 2023. Doch ob die Regierung solange Bestand hat, ist fraglich. So wird denn auch über vorgezogene Wahlen spekuliert, und das nicht nur in den unabhängigen, PiS gegenüber kritischen Medien, sondern selbst im Regierungslager wie in Kaczyńskis Partei.

Eine geschwächte Regierung

Der Grund für diese Spekulation ist die momentane Schwäche der Regierung und ein Rückgang der Zustimmungswerte für PiS. Nachdem drei Abgeordnete die Partei verlassen hatten, besaß die Vereinigte Rechte zeitweise keine Mehrheit im Sejm. Hinzu kommen Konflikte mit den beiden kleineren Koalitionspartnern, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. So drängen Justizminister Ziobro und seine Partei „Solidarisches Polen“ auf einen noch radikaleren nationalen Kurs als ihn Premier Morawiecki verfolgt, woraus denn auch ein deutliches Spannungsverhältnis zwischen den beiden Ministern resultiert. „Solidarisches Polen“ hat die an die Wahrung der Rechtstaatlichkeit geknüpfte Zustimmung zum europäischen Wiederaufbaufonds verweigert. Sie konnte im Sejm nur mit zusätzlichen Stimmen der oppositionellen Linken beschlossen werden. Und mit verfassungsmäßigen Bedenken verhinderten Gowin und seine Partei „Verständigung“ die von Kaczyński unbedingt gewollte allgemeine Bríefwahl, von der sich der Chef von PiS die sichere Wiederwahl von Andrzej Duda als Staatspräsident erhofft hatte. Zudem verfolgt Gowin im Gegensatz zu Ziobro einen gemäßigten nationalkonservativen Kurs.

Unter diesen Umständen können Gesetzesvorhaben der Regierung an ihrer mangelnden Mehrheit im Sejm scheitern. So gelang es beispielsweise PiS trotz mehrerer Versuche nicht, dass eine ihr ergebene Person zum Beauftragten für die Wahrung der Bürgerrechte gewählt wurde, um auf diese Weise die Kontrolle über den für die Verfolgung ihrer Politik wichtigen öffentlichen Bereich zu erlangen. PiS sah sich am Ende zu einem Kompromiss genötigt und stimmte der Wahl eines von der Opposition vorgeschlagenen unabhängigen Kandidaten zu.

Die Regierungskrise spitzte sich zu, nachdem Premier Morawiecki am 19. August seinen Vize Gowin entlassen hatte, was dieser nicht von ihm, sondern aus den Medien erfuhr. Das Präsidium von „Verständigung“ beschloss daraufhin einen Tag später den Austritt aus der Regierung, womit die Koalition zu Ende war und die Regierung ihre ohnehin knappe Mehrheit verlor.

Der Konflikt ist von fundamentaler Natur, denn er betrifft das Regierungsprogramm als solches. Mit „Polski ład“ (Polnische Gestaltung) verspricht die Regierung wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung. Premier Morawiecki hat die Entlassung von Gowin damit begründet, dass dieser öffentlich gegen das Regierungsprogramm „Polski ład“ Stellung bezieht. Das stört die massive Propaganda, mit der den Polen dieses Programm nach dem Motto „Alle gewinnen, nur wenige Reiche müssen zahlen“ schmackhaft gemacht wird. Das bestreitet nicht nur die Opposition, auch Gowin und seine Partei übten an „Polski ład“ scharfe Kritik. Nach ihren Berechnungen würden viele Steuerzahler zu den Verlierern zählen, insbesondere die Unternehmer, denen sich „Verständigung“ in besonderer Weise verpflichtet weiß. Man werde dem Programm – so das an die Regierung gerichtete Ultimatum – nur zustimmen, wenn es keine Änderung des Steuerrechts, der Finanzierung der Selbstverwaltungsorgane und der Mediengesetzgebung enthalte. Die in Aussicht genommenen Äderungen, etwa eine Reichensteuer in Höhe von 50%, würden die Unternehmer hart treffen. Zudem müssten die Selbstverwaltungsorgane mit weniger Staatszuschüssen rechnen und könnten so ihren Verpflichtungen gegenüber den Bürgern nur bedingt nachkommen. Und die „lex TVN“, die beabsichtigte Novellierung des Mediengesetzes, bedrohe die freie Informationsvermittlung und Berichterstattung. „Polski ład“ sei im Grunde purer Sozialismus.

Das staatlich kontrollierte öffentliche Fernsehen reagierte auf diese Kritik mit einer Kampagne, in der Gowin als „Hemmschuh“ bezeichnet wurde, der verhindern wolle, dass es den Polen besser geht, ihre Einkünfte wachsen und Polen an Stärke gewinnt.

Eine skandalöse Sejmsitzung

Am 10. August wollte die Regierung die umstrittene „lex TVN“ im Sejm verabschieden. Gegen diese speziell auf die Liquidierung des beliebten und für die öffentliche Meinungsbildung überaus wichtigen Senders TVN 24 zielende Novellierung des Mediengesetzes protestierten Tausende vor dem Parlamentsgebäude und in größeren Städten. Doch zur Verabschiedung des Gesetzes kam es zunächst nicht. Unter Hinweis darauf, dass die Tagesordnung weitere Beschlüsse vorsieht, die einer besseren Vorbereitung bedürfen, beantragte die Opposition die Vertagung der Sitzung auf Anfang September. Und sie gewann die Abstimmung, was von ihr mit stehenden Ovationen gefeiert wurde. Denn damit wurde deutlich, dass die Regierung im Sejm über keine Mehrheit verfügt.

Doch die Freude währte nur kurz. Die Parlamentspräsidentin verkündete eine Pause von einer Viertelstunde, die sich auf fast zwei Stunden verlängerte. Zeit genug für Verhandlungen hinter den Kulissen. Danach verkündete sie, dass sich die drei Abgeordneten von Kukiz 15, einer kleinen Splittergruppe, geirrt und versehentlich für den Antrag gestimmt hätten. Sie annullierte kurzerhand die Abstimmung und ließ sie wiederholen. Nun stimmte eine knappe Mehrheit gegen eine Vertagung und anschießend für die „lex TVN“. Möglich wurde dies, weil Kaczyński in der Pause mit Kukiz gesprochen und seine Gruppierung im Sinne einer politischen Prostitution gewonnen hatte, für das Gesetz zu stimmen. Über das Angebot für diesen Überzeugungswandel kann man nur spekulieren. Möglich, dass Kukiz und seine Leute, die nach allen Umfragen in den nächsten Wahlen keine Chance auf einen erneuten Einzug in den Sejm haben, die Zusage eines sicheren Platzes auf der Wahlliste von PiS erhielten.

Die Opposition sieht in diesem Procedere einen eklatanten Verfassungsbruch zum Schaden der Demokratie. Doch ob eine entsprechende Klage vor dem mit PiS treuen Richtern besetzten Verfassungsgericht Erfolg hat, ist wohl eher unwahrscheinlich.

Doch die „lex TVN“ ist noch nicht rechtskräftig. Sie muss vom Senat bestätigt werden. Angesichts der knappen Mehrheit, über die die Opposition im Senat verfügt, ist wohl damit zu rechnen, dass der Senat der Novellierung in der jetzigen Form nicht zustimmen wird. Dann müsste bei einer erneuten Abstimmung im Sejm das Regierungslager über die absolute Mehrheit verfügen, um die Novellierung durchzubringen. Dazu wäre der „Kauf“ weiterer Abgeordneter erforderlich. Rechtskräftig ist das Gesetz erst mit der Unterschrift des Staatspräsidenten. Mit weiteren Spannungen und Konflikten ist zu rechnen.

Zu dieser inneren Schwäche der Regierung kommt eine durch Konflikte bedingte Schwächung ihrer internationalen Position.


Konflikte mit der EU-Kommission

In dem am 19. Juli von der EU-Kommission vorgelegten Bericht zum Zustand der Rechtstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten wird Polen die politische Verfolgung von Richtern, Staatsanwälten, unabhängigen Medien und Homosexuellen vorgeworfen sowie die Instrumentalisierung des Justizwesens und des Sicherheitsdienstes für politische Zwecke der Regierung beanstandet.

Bereits zweimal wurde Polen wegen Verstöße gegen die Rechtstaatlichkeit vom Europäischen Gerichtshof verurteilt. Im Frühjahr 2019 betraf dies die Säuberung des Obersten Gerichts durch Zwangsemeritierung von Richtern und im Herbst des gleichen Jahres die Herabsetzung ihres Pensionsalters, womit sich die PiS-Regierung die Möglichkeit verschaffte, missliebige Richter in den Ruhestand zu schicken und durch ihr treu ergebene Richter zu ersetzen. Am 15. Juli 2021 stellte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil fest, dass die polnische Disziplinarkammer mit dem EU-Recht unvereinbar ist. Beanstandet hatte dies bereits 2019 die Europäische Kommission und vor einem Jahr beim Europäischen Gerichtshof Feststellungsklage erhoben.

Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist die Disziplinarkammer weder unabhängig noch neutral, weil sie mit Personen besetzt ist, die durch den als politisches Organ geltenden Landesjustizrat berufen wurden und sie daher bezüglich der Unabhängigkeit „begründete Zweifel erweckt“.

Noch am gleichen Tag, an dem der Europäische Gerichtshof sein Urteil verkündete, konterte das polnische Verfassungsgericht und verschärfte den Konflikt. Es stellte fest, dass Polen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für den Bereich des Justizwesens nicht respektieren muss.

Wenige Tage später entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über Einzelanträge und stellte fest, dass polnische Gerichte die Rechte der Kläger verletzt haben, indem auf die Prozesse politischer Einfluss genommen wurde, womit gerechte Gerichtsverfahren nicht mehr garantiert sind.

Die EU-Kommission setzte der polnischen Regierung für die Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs eine Frist bis zum 16. August. Konkret bedeutet dies die unverzügliche Einstellung jeglicher Tätigkeit der Disziplinarkammer. Würde Polen diese Frist verstreichen lassen, dann könnte sich die Europäische Kommission an den Europäischen Gerichtshof wenden, damit dieser Polen eine finanzielle Strafe auferlegt, die sich von Tag zu Tag erhöht, bis die Forderung des Europäischen Gerichtshofs erfüllt ist. Auch könnten die Polen zugedachten Milliarden Euro des Wiederaufbaufonds gesperrt werden.

Dass Brüssel diese Möglichkeit erwogen hat, zeigt sich daran, dass die EU-Kommission als Bedingung zur Auszahlung der Gelder den von der polnischen Regierung vorgelegten Plan zur Umsetzung dieser Finanzmittel vorerst nicht bestätigte. Inzwischen hat Kaczyński wissen lassen, die Disziplinarkammer, an der Ziobro unbedingt festhalten möchte, sei so wichtig nicht, dass man dafür auf die Milliarden-Hilfe verzichten könnte.

Angesichts der Zuspitzung von Konflikten mit den EU-Instanzen sieht die Opposition die Gefahr eines Polexit. Ein Austritt aus der Europäischen Union nach dem Beispiel Großbritanniens dürfte zwar nicht die Absicht von Kaczyński sein, zumindest nicht solange die EU-Fördergelder reichlich nach Polen fließen, aber dass der Chef von PiS ein anderes Europa als das der Europäischen Union im Blick hat, ist unbestritten. So vollzog sich unlängst auf Initiative von Kaczyński der Zusammenschluss rechtsnationaler Parteien Poles, Ungarns, Frankreichs, Italiens und Spaniens mit dem erklärten Ziel einer triefgreifenden Veränderung der Europäischen Union. In Sonderheit geht es den Rechtsnationalen um die Entmachtung der EU-Kommission und eine weitgehende Rücknahme europäischer Integration, so dass am Ende von der Europäischen Union kaum mehr übrig bliebe als eine bloße Wirtschaftsgemeinschaft. Eine solche Entwicklung wäre um vieles schlimmer als ein Austritt Polens aus der Europäischen Union.

Erneute Belastung der polnisch-jüdischen Beziehungen

Im polnisch-jüdischen Verhältnis kommt es immer wieder zu Irritationen und diplomatischen Konflikten. Vor nicht langer Zeit war es die Verabschiedung eines Gesetzes, das in der jüdischen Kommunität Empörung auslöste. Es bedroht jeden mit Strafe, der behauptet, Juden hätten am Holocaust mitgewirkt. Auch wenn außer Frage steht dass für den Holocaust allein Deuche verantwortlich sind, so hat es doch zahlreiche Polen gegeben, die Juden an die Gestapo verraten oder während des Zweiten Weltkriegs und noch danach Juden umgebracht haben, so dass die Empörung über das Gesetz verständlich ist.

Nun ist es eine am 24. Juni 2021 verabschiedete Gesetzesnovellierung, auf die sowohl jüdische Weltorganisationen als auch Israel mit Protest reagierten. Danach können nach Ablauf von 30 Jahren administrative Entscheidungen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Diese zeitliche Terminierung macht es unmöglich, Entschädigungen für den nach dem Zweiten Weltkrieg vom polnischen Staat konfiszierten jüdischen Besitz vor polnischen Gerichten einzuklagen.

Bei dem Streit geht es um erhebliche Summen. Jüdische Organisationen beziffern sie auf 230-300 Milliarden Złotych. Nach Schätzungen der Weltorganisation für die Rückerstattung jüdischen Besitzes belaufen sie sich auf 300 Milliarden Dollar, also auf über eine Billion Złotych.

Die Reaktion Israels auf die Novellierung ließ nicht lange auf sich warten. Noch am Tag des Sejmbeschlusses reagierte die israelische Botschaft mit einer Stellungnahme, in der es heißt: „Dieses unannehmbare und amoralische Gesetz ist ein ernsthafter Schlag in den Beziehungen unserer Staaten.“ Und der israelische Außenminister schrieb auf Twitter: „Die israelische Regierung beabsichtigt nicht, zu diesem Gesetz zu schweigen, denn es handelt sich um eine klare und scherzhafte Missachtung von Rechten der Holocaustopfer und ihrer Nachkommen.“

Besonders emotional äußerte sich die Warschauer Botschafterin Israels: „Hört auf die Stimme der jüdischen Welt, hört auf die Stimme des jüdischen Staates, hört auf den Schmerz, den dieses Gesetz hervorruft, hört auf die Stimme der Überlebenden, die uns sagen, stoppt dieses Gesetz und bedenkt es von neuem. Noch ist es nicht zu spät.“

Doch die polnische Seite zeigte sich von den israelischen Protesten unbeeindruckt. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kommentierte die Stellungnahme des israelischen Außenministers mit den Worten: „Solange ich Premier sein werde, wird Polen ganz sicher nicht für deutsche Verbrechen zahlen. Keinen Złoty, keinen Euro und auch keinen Dollar.“

Eine unmittelbare Folge dieses Streits ist ein erneutes Aufflammen des Antisemitismus in Polen. So schüttete die rechtsradikale und antisemitische „Allpolnische Jugend“ vor die israelische Botschaft einen Haufen Steine, versehen mit einer Tafel mit den Worten: „Das hier ist euer Besitz“. Und um ihrer Aktion Nachdruck zu verleihen, gab sie eine Erklärung heraus, in der es heißt: „Es empört uns die Dreistigkeit jüdischer Kreise. Es empört uns, dass Polen der Mitwirkung am Holocaust beschuldigt werden. Es empört uns die Forderung nach einem Besitz, der ihnen gar nicht gehört. Es empört uns das Bewusstsein der Straffreiheit für die an Palästinensern verübten Verbrechen und für die räuberische Politik Israels, vor der die Welt die Augen verschließt.“ Zudem initiierte die „Allpolnische Jugend“ eine an Ministerpräsident Morawiecki gerichtete Petition. Ihr Titel: „Sag NEIN zur rechtlosen jüdischen Entschädigungsforderung.“

Gestörtes Verhältnis zur neuen amerikanischen Administration

Die Bedrohung durch Russland ist eine bis in die Zeit der Teilungen Polens zurückreichende geschichtliche Erfahrung. Zur nationalen Existenzsicherung haben daher gute Beziehungen zu den USA Vorrang. Denn – so die parteiübergreifende Überzeugung – nur das militärische und diplomatische Gewicht der Vereinigten Staaten kann Polen einen wirksamen Schutz vor russischer Aggression garantieren.

Dass die PiS-Regierung aufgrund polnischer Sicherheitsinteressen um ein gutes Verhältnis zu Donald Trump bemüht war, ist daher verständlich. In zwei USA-Reisen erhielt denn auch Präsident Andrzej Duda Zusagen militärischen Schutzes durch Stationierung amerikanischer Truppen auf polnischem Boden, die allerdings bis heute nicht realisiert wurden.

Doch die guten Beziehungen zu Donald Trump beschränkten sich nicht darauf. Anders als die westlichen EU-Staaten zeigten die polnischen Nationaldemokraten für Donald Trump deutliche Sympathien. Dabei störte es sie nicht, dass der amerikanische Präsident eine Politik der Schwächung der Europäischen Union verfolgte. Ganz im Gegenteil. Die kam ihren eigenen Interessen entgegen. So verwundert es nicht, dass – von Teilen der Kirche unterstützt – PiS und die von ihr geführte Regierung ihre Hoffnung auf eine Wiederwahl von Donald Trump setzten. So hat denn auch Präsident Duda, was höchst ungewöhnlich ist, bei seinem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten die dortige Polonia dazu aufgerufen, für die Wiederwahl von Trump zu stimmen. Und offenbar fiel es Präsident Duda schwer, Joe Biden zu seiner gewonnen Wahl zu gratulieren, denn sein eher kühler Glückwunsch kam reichlich verspätet.

Auch die politische Richtung, die Joe Biden als neuer amerikanischer Präsident bei seinem Europabesuch zum Ausdruck brachte, missfällt den polnischen Nationaldemokraten: sein Bekenntnis zur Integration Europas, die herausgehobene Rolle, in der er Berlin als Garant europäischer Integration sieht, die Rücknahme der Sanktionen gegen die Fertigstellung von Nord Stream 2.

Zu dem derzeit gestörten polnisch-amerikanischen Verhältnis kommt noch erschwerend der Konflikt um den unabhängigen Fernsehsender TVN 24 hinzu. Er ist wegen seiner kritischen Berichterstattung dem nationalkonservativen und zunehmend autoritären Regime seit langem ein Dorn im Auge. Ihn auszuschalten dient die Novellierung des geltenden Gesetzes, das besagt, dass einem ausländischen Eigentümer die Konzession nur dann erteilt werden kann, wenn dieser seinen Sitz in einem westeuropäischen Land hat. TVN 24 ist als Polish Television Holding zwar in den Niederlanden registriert und entspricht damit dem bislang geltenden Gesetz, doch sein einziger Aktionär und damit der faktische Eigentümer ist der amerikanische Konzern Discovery.

Die Konzession für TVN 24 erlischt am 26. September. Seit einem Jahr hat sich der Sender vergeblich um eine Verlängerung bemüht. Das allein zeigt, dass Kaczyński entschlossen ist, nach dem Muster anderer Medien TVN 24 zu „polonisieren“, indem er in seiner bisherigen Form und Besetzung keine Konzession erhält und von einer dem Regime eng verbundenen Firma übernommen werden soll.

Die Determinierung der Außenpolitik durch die innenpolitische Agenda

Polens geschwächte Position innerhalb der Europäischen Union und auf internationaler Ebene ist, wie obige Konflikte zeigen, die Folge der innenpolitischen Agenda. Die von Jarosław Kaczyński verfolgte Politik des so genannten „guten Wandels“, vor allem die unter Verletzung rechtstaatlicher Prinzipien durchgesetzte Justizreform, der Versuch, die noch unabhängigen Medien unter Kontrolle zu bringen sowie eine Geschichtspolitik, die Polen nur als Opfer und Helden erscheinen lässt und jede Art von Täterschaft leugnet, dies alles erweist sich für die außenpolitischen Beziehungen als äußerst konfliktträchtig. Dieser Verzahnung von Innen- und Außenpolitik entspricht eine auffällige Bedeutungslosigkeit des Außenministeriums, die schon allein daran erkennbar ist, dass kaum jemand den Namen des polnischen Außenministers kennt. Angesichts der die Außenpolitik belastenden Konflikte sind es in erster Linie Premier Morawiecki und Staatspräsident Duda, die Aufgaben übernehmen, die in einem demokratischen Staat normalerweise vom Außenministerium wahrgenommen werden.

Begrenzte Möglichkeiten der Opposition

Angesichts der Tatsache, dass PiS ihre Mehrheit im Sejm verloren hat, könnte die Regierung durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden. Doch dazu müsste die Opposition geschlossen für ihre Ablösung sowie für Neuwahlen stimmen. Abgesehen davon, dass es aufgrund unterschiedlicher Interessen der im Sejm vertretenen Parteien unwahrscheinlich ist, dass die erforderliche Geschlossenheit erreicht wird, ist es fraglich, ob es überhaupt opportun ist, zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen Regierungswechsel herbeizuführen. Noch ist PiS mit 30% stärkste Partei. Noch vor kurzem lag die Bürgerplattform (PO) als stärkste Oppositionspartei in den Umfragen weit hinter den Nationaldemokraten. Das hat sich zwar geändert, nachdem Donald Tusk in die polnische Politik zurückgekehrt ist und die Führung der Bürgerplattform wieder übernommen hat. Seitdem sind die Zustimmungswerte für die Bürgerplattform sprunghaft gestiegen. Eine Regierungsbildung in Koalition mit der relativ neuen Partei „Polen 2050“ des politischen Quereinsteigers Szymon Hołownia erscheint möglich.

Aber ist dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt wünschenswert? Kaczyński hat es geschafft, so gut wie alle staatlichen und öffentlichen Institutionen mit ihm ergebenen Leuten zu besetzen. Selbst nach einer verlorenen Wahl bleiben, zumindest vorerst, diese Machtzentren von PiS bestehen, was das Regieren nach einem Machtwechsel äußerst schwierig machen dürfte. Daher scheint die Opposition vorerst bemüht zu sein, einen weiteren Ausbau dieser Machstellung zu verhindern und wie im August geschehen, den Nationaldemokraten durch Anträge und Abstimmungsverhalten im Sejm das Regieren zunehmend zu erschweren.






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