Verschärftes Abtreibungsgesetz in Kraft
Nach drei Monaten veröffentlichte am späten Abend des 27. Januar 2021 das polnische Verfassungsgericht seine Entscheidung vom 22. Oktober 2020, wonach ein Schwangerschaftsabbruch selbst bei einer geschädigten Leibesfrucht unerlaubt ist. Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt erhielt diese Entscheidung Gesetzeskraft. Ärzte, die dagegen verstoßen, können mit drei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Noch in der Nacht kam es zu ersten Protesten, die am folgenden Tag bereits landesweit größere und auch kleinere Städte erfassten. Jedenfalls erwies sich die Hoffnung der protestierenden Frauen, aufgrund ihrer langanhaltenden Proteste im Herbst werde es nicht zur Verabschiedung dieses Gesetzes kommen, als trügerisch. Doch ebenso trügerisch scheint die Annahme der Regierung zu sein, die Proteste hätten sich erledigt und würden nicht wieder aufflammen.
Selbst für PiS-Abgeordnete kam die Veröffentlichung überraschend. Kaum einer hatte sie zu diesem Zeitpunkt erwartet. Kommentatoren vermuten, dass sie von den Problemen ablenken soll, denen sich die Regierung angesichts der Pandemie ausgesetzt sieht.
Neben den Protesten gibt es erste Stellungnahmen führender Politiker. So twitterte Donald Tusk: „Ihnen geht es gar nicht um den Lebensschutz. Unter ihrer Regierung sterben schließlich immer mehr Menschen und immer weniger werden geboren. Leben – das sind die polnischen Frauen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Würde angesichts des zynischen Fanatismus der Regierenden, das ist unser Sein oder Nichtsein."
Władysław Kosiniak-Kamysz, Chef der Bauernpartei, äußerte sich wie folgt: „Rekordzahl an Toten, dramatische Situation der Unternehmer, Chaos mit der Impfung, und die Regierung ruft auf zu einem erneuten ideologischen Krieg. „Selbst Szymon Hołownia, Gründer und Chef der Bewegung „Polska 2050“, ein tiefgläubiger Katholik, meldete sich kritisch zu Wort. Unter Hinweis auf den seit 1993 bestehenden Kompromiss beklagte er, dass dieser nun durch einen „unrechtmäßigen Akt“ gebrochen wurde. Unter Anspielung auf den Heroismus, den Frauen unter Beweis stellen, die ein behindertes Kind zur Welt bringen, sagte er: „Man kann Frauen in heroischen Entscheidungen unterstützen, doch dazu zwingen, darf man sie nicht.“
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