Die polnisch-jüdischen Beziehungen - Reinigung des Gedächtnisses
Das Interesse westlicher Medien an den polnisch-jüdischen Beziehungen ist im allgemeinen sehr begrenzt. Es wird immer dann geweckt, wenn es um Beispiele des sogenannten „polnischen Antisemitismus“ geht - eine im Übrigen missverständliche Bezeichnung, suggeriert sie doch, die Polen seien in besonderer Weise für den Antisemitismus anfällig. Ein Beispiel dieser verengten Sichtweise ist das Echo, das Jan Tomasz Gross mit seinem Buch über das im Juli 1941 stattgefundene Pogrom von Jedwabne auslöste. Die westliche Berichterstattung konzentrierte sich vornehmlich auf die von Gross vertretene Grundthese, nach der unter Beteiligung der polnischen Gesellschaft 1600 Juden bei lebendigem Leibe in einer Scheune verbrannt worden seien. Die breite polnische Diskussion, die einen Eindruck davon zu vermitteln vermag, mit welcher Ernsthaftigkeit die Auseinandersetzung um den damals 60 Jahre zurückliegenden Mord an den Juden des ostpolnischen Städtchens von Polens geistiger Elite geführt wurde, blieb weitgehend ausgeblendet. Inzwischen liegt der Abschlussbericht des für die Aufklärung derartiger Verbrechen zuständigen Instituts Nationalen Gedenkens vor, dessen Untersuchungsergebnisse indessen im Westen kaum eine Nachricht wert waren. Es besteht somit Veranlassung genug, den eingeschränkten Blickwinkel um die Darlegung der in Polen zu beobachtenden umfassenden Aufarbeitung der polnisch-jüdischen Beziehungen zu erweitern, die das Problem des Antisemitismus zwar keineswegs ausklammert, es aber nicht isoliert, sondern in größeren Zusammenhängen durchaus kritisch behandelt.
Die Ausgangslage - Rückgewinnung des Gedächtnisses
Agnieszka Magdziak-Miszewska, zwischen 1997 und 1999 Beraterin von Premier Jerzy Buzek, später in der Funktion eines Generalkonsuls in New York tätig, meint, die polnische Gesellschaft habe - dem Titel ihres Beitrags entsprechend - in der Diskussion um Jedwabne ein „höchst wichtiges Examen“ zu bestehen. Dazu sei zweierlei erforderlich: eine Korrektur des tradierten polnischen Selbstbildes sowie eine Rückgewinnung des Gedächtnisses. Das überlieferte polnische Autostereotyp beschreibt sie wie folgt: „Unser Verhältnis zur eigenen Geschichte, der durch die Schule und der durch die Familie vermittelten, war vor allem affirmativ und häufig - bezüglich der persönlichen Einstellung zum herrschenden System - tief emotional. Der Zenit dieser Affirmation fiel in die 80er Jahre - die Entstehung der Solidarność und dann der Widerstand gegen das Kriegsrecht bildeten schließlich eine Bestätigung jenes Bildes von Polen und den Polen, das in uns Gestalt gewonnen hatte: freiheitsliebende Patrioten, zu bedeutenden Taten und großer Hingabe fähig, immer, natürlich, ‘für eure und unsere Freiheit’.“ Dieses in einer an Unterdrückung und Verfolgung reichen Geschichte ausgeprägte nationale Selbstbild kultiviere die eigene Opferrolle und betone den eigenen Heroismus, gehe aber zugleich mit einer Verdrängung geschichtlicher Inhalte einher, die in dieses Bild nicht hineinpassen oder es gar in Frage stellen. So komme es zu einem Gedächtnisverlust, von dem auch und vor allem das polnisch-jüdische Verhältnis betroffen sei.
Was Agnieszka Magdziak-Miszewska anmahnt, ist nichts Geringeres als eine umfassende historische Aufarbeitung der polnisch-jüdischen Beziehungen, die im Übrigen nicht erst durch das Buch von Gross ausgelöst wurde. Vielmehr ist mit der politischen Wende des Jahres 1989 in der polnischen Gesellschaft ein bis heute anhaltendes reges Interesse an der Geschichte der polnisch-jüdischen Beziehungen feststellbar, das in einer Fülle von Aufsätzen und Buchveröffentlichungen seinen Ausdruck findet. Die folgenden Überlegungen nehmen auf einzelne dieser Publikationen Bezug.
Einige Bemühungen solcher Aufarbeitung reichen bis in die Jahrzehnte der Volksrepublik zurück, sind allerdings auf den kleinen Kreis der von katholischen Intellektuellen herausgegebenen Medien „Tygodnik Powszeny“, „Znak“ und „Więź“ beschränkt. Bereits 1957 verurteilte Jerzy Turowicz, Chefredakteur des „Tygodnik Powszechny“, ohne Wenn und Aber den gegen das jüdische Volk gerichteten Hass, „der heute gewöhnlich Antisemitismus genannt wird.“ Turowicz spricht einem antisemitischen Katholiken sein Katholischsein förmlich ab, indem er erklärt, „dass ein Katholik, der Antisemit ist, in dem Maße kein Katholik mehr sei, in dem er Antisemit ist.“ In deutscher Sprache liegt inzwischen ein von der Redaktion „Więź“ herausgebrachter Sammelband vor, der eine Auswahl von Aufsätzen enthält, die in den Jahren 1958-1997 zu polnisch-jüdischen Fragen in dieser Monatsschrift erschienen sind. Ein auch heute noch lesenswerter Beitrag ist der im Frühjahr 1960 von Tadeusz Mazowiecki in den Warschauer und Krakauer Klubs Katholischer Intelligenz gehaltene Vortrag „Der Antisemitismus der gutmütigen und anständigen Menschen“. Darin setzt sich der damalige Chefredakteur von „Więź“ mit zwei, den Antisemitismus scheinbar legitimierenden Argumenten auseinander: „erstens, daß es im Staatsapparat eine Art jüdischer Mafia gibt; und zweitens, daß sich Polen jüdischer Abstammung oft als Kosmopoliten erweisen und ihre Bindung an Polen nur eine scheinbare ist.“ Was das erste Argument betrifft, so leugnet Mazowiecki zwar nicht, dass „es 1945 auf den oftmals verantwortungsvollen Posten im Machtapparat viele Polen jüdischer Abstammung gab,“ erklärt dies aber aus der „historischen Situation“ und weist Vorstellungen als absurd zurück, wonach die Ursache „in irgendwelchen unveränderlichen Eigenschaften des jüdischen Charakters, oder, noch schlimmer, in den Plänen des Weltjudentums“ zu suchen sei. Bezüglich des zweiten Arguments setzt sich Mazowiecki kritisch mit dem Assimilationskonzept auseinander, das letztlich darauf hinauslaufe, das jüdische Problem aus der Welt zu schaffen, indem die Juden dazu genötigt werden, sich unter Verzicht auf ihr jüdisches Selbstversttändnis der Kultur und Nation ihres Gastlandes völlig anzugleichen. Mazowiecki fordert statt der Assimilation ein Konzept der Integration, damit sich der jüdische Mitbürger in der Gesellschaft, in der er lebt, verwurzeln kann, ohne seine jüdische Herkunft zu verleugnen oder sich gar von seinem jüdischen Erbe loszusagen. Es komme im Gegenteil darauf an, dass die Verwurzelung „ein Prozeß gegenseitiger Bereicherung und Erweiterung ist, der das Zusammengehörigkeitsgefühl fördert und nicht Werte zersetzt.“
In der neueren Aufarbeitung des polnisch-jüdischen Verhältnisses steht - neben dem Interesse am Reichtum des durch den Holocaust weitgehend vernichteten jüdischen Erbes - vor allem die Problematik der beiderseitigen Beziehungen im Mittelpunkt der Betrachtung. Darüber soll aber nicht die lange, vom Mittelalter bis ins 17. Jahrhundert reichende Phase vergessen werden, in der Polen für Juden der praktizierten Toleranz wegen zum bevorzugten europäischen Einwanderungsland wurde. So zeichnet Eva Hoffmann in ihrem mit sehr viel Empathie geschriebenen Buch über die bis zur Hälfte von Juden bewohnte ostpolnische Kleinstadt Brańsk zunächst ein Bild vom Jahrhunderte währenden friedlichen Zusammenleben beider Volksgruppen. In dieser polnisch-jüdischen Koexistenz sieht sie ein für die Bestimmung heutiger Minderheitenrechte beispielhaftes Experiment, das seine Grundlage in dem 1264 von Bolesław Pobożny (1224/27-1279)erlassenen Kalischer Statut hatte. Dieses sei „in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnlicher Rechtsakt gewesen.“ Der Text spiegele „eine - selbst nach heutigen Maßstäben - subtile Sensibilität für die Sorgen und Nöte der kleinen Gruppe von Untertanen wider.“ Im einzelnen verweist sie auf den besonderen Status der Juden im mittelalterlichen Polen. Sie waren „servi camerae, was so viel heißt, dass sie als freie Menschen direkt dem Fürsten unterstanden.“ Das Statut habe jüdischen Einwanderern „Schutz von Leben und Habe sowie das Recht auf den Besitz eigener Synagogen und Friedhöfe garantiert.“ Wörtlich schreibt die Autorin: „Bolesław Pobożny beschränkte sich nicht auf diese Grundrechte, sondern unternahm darüber hinaus weitsichtige Schritte, die auf eine einklagbare Liquidierung von Vorurteilen und Ungleichheiten zielten.“ So habe er ausdrücklich verboten, Juden des Ritualmordes zu beschuldigen, wobei die Autorin den „höchst erstaunlichen Paragraphen des Kalischer Statuts“ hervorhebt, der besagt, „dass jeder Christ, der einen Juden dieses Verbrechens fälschlicherweise beschuldigt, dieselbe Strafe zu erleiden habe, die ein Juden zu verbüßen hätte, wenn sich die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen bewahrheiten sollten... Der Autor des Kalischer Statuts wusste sehr wohl um die damals gängigen Vorurteile Juden gegenüber, doch ihm lag daran, Prinzipien der Toleranz und der Gleichheit in Kraft zu setzen.“
Eva Hoffmann betont nicht zuletzt die jahrhundertelange „polnisch-jüdische Koexistenz“, um eine verbreitete westeuropäische Vorstellung ein wenig zurecht zu rücken, wonach Polen - wie ganz Osteuropa - in der Geschichte ökonomisch und politisch rückständig gewesen sei. Sie bestreitet diese grundsätzliche Einschätzung zwar nicht, hinterfragt aber das ihr zugrunde liegende Wertsystem: „Die Kriterien historischer Beurteilung können sich unter dem Einfluss einer sich aktuell wandelnden Werteskala schnell verändern. Aus heutiger Perspektive gewinnen bestimmte Aspekte der Geschichte Osteuropas eine neue Dimension: mehr noch: Man kann in ihr die Antwort auf bestimmte Dilemmata finden, mit denen die heutigen höher entwickelten Gesellschaften zu tun haben. Dies betrifft insbesondere Probleme wie Pluralismus und ethnische Koexistenz. Den polnischen Erfahrungen gebührt in diesem Bereich eine höchst interessante Präzedens, funktionierte doch gerade in Polen in vielen Epochen seiner Geschichte eine multikulturelle Gesellschaft.“
Gedächtnisverlust als Folge kommunistischer Herrschaft
Ein polnischer Rezensent des Buches von Eva Hoffmann bezweifelt, dass die darin enthaltenen Informationen in Polen genügend bekannt seien. Einer der Gründe für diese Unkenntnis dürfte in einem durch über vier Jahrzehnte kommunistischer Herrschaft bedingten Gedächtnisverlust zu suchen sein. Darunter leiden im Übrigen sämtliche postsozialistischen Nationen, deren Bürger jahrzehntelang ein Geschichtsbild vermittelt bekamen, in dem all das ausgeklammert blieb, was der eigenen Ideologie und den machtpolitischen Zielen widersprach. Zu den auf diese Weise verdrängten historischen Inhalten gehört auch das polnisch-jüdische Verhältnis. Hinzu kam ein weiteres: der Versuch, die Erinnerung an den Holocaust zugunsten des Martyriums der polnischen Nation aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein zu verdrängen. Hierzu äußert sich Jan Tomasz Gross, der 1968 als politischer Dissident und nicht, wie er ausdrücklich betont, als Jude emigirierte: „Ich begann allmählich zu begreifen, dass die Juden aus der Geschichte Polens völlig eliminiert wurden, dass es sie in ihr ganz einfach nicht gab. Dabei waren sie doch ein Teil dieser Geschichte. Damals begriff ich, dass es sich um eine tief greifende Verfälschung handelt, der man sich widersetzen muss. Die Verlogenheit in der polnischen Geschichtsschreibung, im Bewusstsein der polnischen Gesellschaft, bezüglich dessen, was den Juden während des Krieges in Polen angetan wurde, ist eine Last, die eine psychische Selbstbefreiung in dieser Gesellschaft unmöglich macht.“ Er verweist in diesem Zusammenhang auf eine Untersuchung von Schulbüchern, die vom Jüdischen Historischen Institut in Warschau in der Absicht durchgeführt wurde, herauszufinden, was sie über den Holocaust enthalten: Buchstäblich nichts.
Zu der von Jan Tomasz Gross kritisierten „historischen Eliminierung“ liegen inzwischen Detailuntersuchungen vor. So zeigt Marcin Zaremba unter der bezeichnenden Überschrift „Amt des Vergessens“ am Beispiel des Museums von Auschwitz, wie schwierig es ist, angesichts der damaligen ideologisch und machtpolitisch bedingten Verfälschung geschichtlicher Fakten heute eine Bewusstseinsveränderung in der Breite der Gesellschaft zu bewirken.
Marcin Zaremba liefert den Beweis, dass das ZK der kommunistischen Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) von Beginn an auf die Ausstellung in Auschwitz Einfluss genommen hat. Bereits 1950 wurde durch eine Kommission des ZK das Ausstellungsprojekt beanstandet, weil es eine nach Nationen getrennte Präsentation der Leiden der Häftlinge vorsah. Die Absicht war klar: Man wollte aus Auschwitz vor allem eine Stätte des Martyriums der polnischen Nation machen und dem gegenüber musste die Vernichtung der Juden in den Hintergrund treten. 1963 fasste der Sejm einen entsprechenden Beschluss, durch den das Lager Auschwitz offiziell in den Rang eines „Denkmals des Martyriums und des Kampfes der Polnischen Nation und anderer Nationen“ erhoben wurde. Im gleichen Jahr habe die Partei die Autoren der Großen Enzyklopädie attackiert, weil sie unter dem Stichwort „Hitlersche Konzentrationslager“ eine „grundlose Unterscheidung zwischen Konzentrations- und Vernichtungslagern“ vorgenommen hätten. Zudem würde durch die Angabe, 99% aller Todesopfer seien Juden gewesen, suggeriert, nur Juden seien umgebracht worden. „Mit anderen Worten, das Verbrechen der Autoren bestand darin, das Autostereotyp in Frage gestellt zu haben, wonach die Polen im Zweiten Weltkrieg am meisten gelitten hätten. Das Bild des leidenden, deutscher Gewalt ausgelieferten Polen drang so tief in die polnische Mentalität ein, dass es zu einem fundamentalen Element nationaler Identität wurde.“ Dies musste auf Anweisung der Partei in der Propaganda, in der schulischen Erziehung und in Denkmälern seinen Ausdruck finden.
Ähnlich verhält es sich mit dem Gedenken an den Warschauer Gettoaufstand von 1943. So sucht man in den parteilichen Anweisungen zu seiner 20-Jahr-Feier das Wort „Jude“ vergeblich. Dafür strotzt die Erklärung des ZK der PVAP - nicht anders als in der DDR bei solchen Gelegenheiten - von ideologischen Phrasen wie „Verbrechen des deutschen Imperialismus und Militarismus“ oder „Demaskierung der Kräfte, die auf einen neuen Krieg zusteuern“. Die Leiden der Juden, ihr verzweifelter Kampf und ihre schließiche physische Vernichtung fallen der ideologischen Instrumentalisierung zum Opfer.
Als Folge dieses Umgangs mit der Vergangenheit haben wir es heute mit dem Problem zweier getrennter Gedächtniskulturen zu tun: Polen wie Juden erinnern sich ihres eigenen Martyriums, ohne die Leiden des anderen sonderlich in den Blick zu nehmen. So wurde Auschwitz zu einem Symbol getrennten Gedenkens. Dieser „Gedächtnisgraben“ erweist sich als ein großes Hindernis polnisch-jüdischer Verständigung. Ihn zu überwinden, für eine wechselseitige Wahrnehmung erfahrener Leiden zu sensibilisieren, die Verflechtungen und Gemeinsamkeiten, die es schließlich auch gegeben hat, zu erfassen - all das gehört zu der Herausforderung einer umfassenden Aufarbeitung der polnisch-jüdischen Beziehungen, die von den Eliten beider Seiten heute sehr wohl angenommen wird und die die gegenwärtige Diskussion bestimmt.
Elemente einer uneingestandenen Kontinuität zwischen der Volksrepublik und der Endecja der Zwischenkriegszeit
Die Kommunisten waren nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Vorsatz angetreten, mit den Traditionen der II. Republik zu brechen und ein neues Polen aufzubauen. Symbole und Gedenktrage der 20er und 30er Jahre fielen - wie der 3. Mai in Erinnerung an die Verfassung von 1791 - einem Verdikt zum Opfer und wurden durch neue, nunmehr sozialistische Embleme und Feiertage ersetzt.. Offiziell gefeiert wurde nicht mehr der 11. November, der Gedenktag an die mit dem Ende des Ersten Weltkriegs nach gut 120 Jahren wiedergewonnenen Unabhängigkeit, sondern der 22. Juli als Gründungstag der Volksrepublik. Anstatt die Zwischenkriegszeit ohne ideologische Scheuklappen kritisch aufzuarbeiten, waren die kommunistischen Machthaber bestrebt, die Erinnerung an diese geschichtliche Phase möglichst auszulöschen. Doch der vollzogene Bruch war in Wahrheit weniger radikal als die politische Führung des Landes dies wahrhaben wollte. So konnte sich der antisemitisch belastete Nationalismus der polnischen Rechten jener Jahre relativ gut in die neue Zeit hinüberretten.
Die von den Kommunisten verschleierte Kontinuität zwischen der der II. Republik und der Volksrepublik findet darin ihren augenfälligen Ausdruck, daß Polen nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Form wiedererstand, die der politischen Konzeption von Roman Dmowski (1864-1939), dem Führer der polnischen Rechten, entsprach. Bereits 1908 hatte er in seiner Schrift „Niemcy, Rosja i kwestia polska“ (Deutsche, Rußland und die polnische Frage) seine von einem überhöhten Begriff der Nation bestimmte Vorstellung einer Wiedergeburt Polens entwickelt. Mit der Idealisierung der Nation verband sich bei ihm die Furcht vor ihrer Bedrohung. Diese ging für seine von ihm 1897 gegründete National-Demokratische Partei, der sogenannten Endecja, vor allem von Deutschland aus. Ihr müsse auf der Basis eines modifizierten Panslawismus durch eine Anlehnung an Rußland begegnet werden. Dmowskis Idealvorstellung war ein möglichst ethnisch reines Polen, das allerdings angesichts der Minderheiten der II. Republik von einem knappen Drittel der Gesamtbevölkerung eine Utopie blieb. In ihr, zumal in den gut zwei Millionen Juden, sah die Endecja eine permanente innere Gefährdung, die ihr umso bedrohlicher erschien, je mehr sich die wirtschaftliche und soziale Situation im Lande verschlechterte.
In Dmowskis gesellschafts-politischem Programm spielte die katholische Kirche eine bedeutende Rolle. Der Führer der Endecja trat gemäß seiner 1927 erschienenen Schrift „Kościół, naród, państwo“ für eine starke Verflechtung von „Kirche, Nation und Staat“ ein. Er sah in der katholischen Religion die Verankerung des Polentums und fand damit innerhalb der Kirche weitgehende Zustimmung, so daß der Klerus in seiner Mehrheit der Endecja zuneigte und damit die politische Instrumentalisierung katholischen Glaubens in Kauf nahm. Als einzige katholische Gruppierung setzte sich die Studentenorganisation „Odrodzenie“ (Erneuerung) in der II. Republik den nationalistischen und antisemitischen Strömungen entgegen. Sie wurde in den 30er Jahren von der Hierarchie mehr geduldet als geliebt, doch waren es nicht zufällig Persönlichkeiten aus ihrem Umfeld, die sich in der Volksrepublik um die Redaktionen des „Tygodnik Powszechny“ und der Zeitschrift „Znak“ sammelten, die Auseinandersetzung um den Antisemitismus aufnahmen und nach der Wende des Jahres 1989 entschieden Tendenzen eines katholischen Glaubensstaates entgegentraten.
Nach 1945 wurde das von den Nationalisten in der II. Republik vertretene Programm eines weitgehend ethnisch reinen Polen auf schreckliche Weise durch den Holocaust sowie aufgrund der Westverschiebung Polens als Folge des Zweiten Weltkriegs Realität. Auch die Vorstellung, nach der eine Gefahr für Polen vor allem von Deutschland ausgehe und Polens Sicherheit nur durch ein Bündnis mit Rußland gewährleistet sei, steht in Analogie zu den Ideen von Dmowski.
Einen Unterschied zwischen den politischen Vorstellungen der Endecja und denen der kommunistischen Führung der Volksrepublik gibt es allerdings. Sie betrifft die Einstellung zur katholischen Kirche. Während Dmowski in ihr den wichtigsten Garanten für die Einheit der Nation und die Unabhängigkeit des Staates sah, galt sie in den Augen der polnischen Kommunisten als Haupthindernis einer Verankerung ihrer atheistischen Weltanschauung in der Gesellschaft. Die Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche ging jahrzehntelang vor allem um die Frage, wer die Nation und die nationalen Interessen repräsentiert - die Partei oder die Kirche. Letztere sah sich daher unter der Leitung von Primas Stefan Wyszyński (1901-1981) gezwungen, gegen das von der kommunistischen Führung vertretene Modell einer Einheit von Partei, Nation und Staat die Verankerung der Nation im katholischen Glauben unter Beweis zu stellen, womit beide Seiten, wenngleich auf gegensätzlichen Positionen, eine Überhöhung der Nation betrieben und damit in einer gewissen Kontinuität zu Dmowski standen. Dies hatte u. a. zur Folge, daß sich Polens katholische Kirche nach der politischen Wende in den 90er Jahren schwer tat, ihren Platz in der nunmehr demokratischen Ordnung zu finden. Und daß die Ideen des Roman Dmowski keineswegs der Vergangenheit angehören, zeigen die vom Antisemitismus infizierten nationalistischen Tendenzen in Teilen der heutigen katholischen Gesellschaft, wie sie ihren Niederschlag in „Radio Maryja“ und einigen Kirchenblättern finden sowie die direkte Berufung auf den Begründer der Endecja bei der seit den letzten Wahlen im Sejm vertretenen „Liga der polnischen Familie“.
Die Zwischenkriegszeit im Schatten des Antisemitismus
Angesichts der bis in die Gegenwart hinein spürbaren Nachwirkung eines in seiner Konsequenz antisemitischen Nationalismus der Endecja erscheint eine Aufarbeitung der polnisch-jüdischen Beziehungen in der II. Republik besonders dringlich. So wundert es nicht, daß in jüngster Zeit zahlreiche Aufsätze, Monographien und Memoiren polnischer wie jüdischer Autoren den 20er und 30er Jahren gewidmet wurden, um den polnisch-jüdischen Beziehungen jener Jahre in ihrer Vielfalt und Komplexität nachzugehen und die Ursachen eines offenen oder latenten Antisemitismus aufzudecken.
Polens Nobelpreisträger Czes³aw Mi³osz verweist in seinem umfangreichen Werk zu den 20er Jahren darauf, daß über der II. Republik bereits an ihrem Anfang ein dunkler Schatten lag: Aus den ersten Sejmwahlen vom November 1922 ging aufgrund einer Koalition zwischen den Sozialisten und einem Wahlbündnis der Minderheiten der aus dem Schweizer Exil heimgekehrte Gabriel Narutowicz (1865-1922), ein enger Freund Piłsudskis (1867-1935), siegreich hervor und gewann das Präsidentenamt. Kurz nach seinem Amtsantritt wurde er am 16. Dezember 1922 während des Besuchs einer Ausstellung ermordet. Als Motiv gab der Täter an, er habe Polen vor Freimaurern und dem Juden retten wollen.
Das Attentat war zwar von der Endecja nicht förmlich in Auftrag gegeben worden, doch sie ist für die Tat mitverantwortlich zu machen. Als Reaktion auf die verlorenen Wahlen hatten die Nationaldemokraten den Antrag gestellt, in Parlament und Sejm Kreuze anzubringen. Er wurde unter Protest der Linken abgelehnt. Aus einer politischen Auseinandersetzung wurde damit ein Kampf um das Kreuz. In den Straßen von Warschau kam es zu öffentlichen Manifestationen, Abgeordnete der Linken wurden tätlich angegriffen, Juden belästigt. Auf diesem Hintergrund erscheint die Ermordung des Präsidenten als Konsequenz einer politischen Instrumentalisierung der Religion. Daran erinnert Mi³osz in seiner Analyse der 20er Jahre. Er zitiert den „Przegląd Wileński“, der damals hellsichtig schrieb: „Kann man überhaupt den Kampf der Endecja um den Sieg christlicher Symbole in Polen ernst nehmen? Liefert ein so verstandenes Christentum nicht eher den Beweis für die Dekadenz christlichen Denkens in breiten Kreisen der Gesellschaft, als deren Patron sich die Endecja versteht? Wann haben wir es endlich in Polen mit einem Katholizismus zu tun, der sich nicht der herrschenden Atmosphäre anpasst?“
In ihrer Untersuchung der in der polnischen Presse der Jahre 1919-1923 verwendeten Propagandasprache belegt Irena Kamińska-Szmaj bereits für die Anfänge der II. Republik die politische Aufladung des überlieferten negativen Stereotyps eines Juden. Sie zeigt, daß nicht mehr der Schankwirt, bei dem die Polen ihr sauer verdientes Geld gleich nach der Arbeit wieder los werden, das Bild eines Juden abgibt, nicht mehr der nach Knoblauch riechende Alte mit langer Nase, Bart und Kaftan, sondern der gut gekleidete Bankier und Kapitalist, der internationale Verschwörer, der Kommunist und Bolschewist. Diese Widersprüchlichkeit des Stereotyps entsprach einer Denkweise in den Kategorien einer Weltverschwörung, die - wie u.a. die „Protokolle der Weisen von Zion“ zeigen auf der Unterstellung beruhen, daß die Juden alle sich ihnen bietenden Mittel und Möglichkeiten nutzen, um ihre Ziele zu erreichen.
In den dreißiger Jahren kam es mit der Bildung des National-Radikalen Lagers zu einem von den Jungnationalisten betriebenen Rechtsextremismus. Aus ihm entstand 1934 die „Falanga“ unter Führung von Bolesław Piasecki (1915-1979) Hauptsächlich wegen der ökonomischen Krise der 30er Jahre fanden ihre antisemitischen Losungen und Aufrufe zur Gewalt Gehör, zumal unter Arbeitern und Bauern. Die „Falanga“ verstand es, ihren Antisemitismus mit dem Katholizismus zu verbinden, wodurch sie sich von den deutschen Nationalsozialisten unterschied, wenngleich man - wie Miłosz anmerkt - gewisse deutsche Einflüsse nicht ausschließen kann. Zu ihren Aktionen gehörte u.a. der Boykott jüdischer Geschäfte. In einem vor den Ostertagen verteilten Flugblatt heißt es beispielsweise:
„Bei Juden kauft
wer nur Pole ist an Feiertagen oder bei Paraden,
wer Katholik ist nur dem Taufschein nach,
....
Wir dürfen dieses Fest nicht durch Unterstützung der Juden profanieren!“
...
Die wahren Polen-Katholiken kaufen nur bei Polen.“
Mi³osz führt eine Vielzahl ähnlicher Belege an, verweist auch auf die Einführung von Gettobänken an den Universitäten und kommentiert diese Vorgänge unter Hinweis auf eine in der zweiten Hälfte der 30er Jahre zunehmende gesellschaftliche Polarisierung mit den Worten: „Der Nonsens dieser ganzen ‘jüdischen Frage’ beruhte darauf, daß innerhalb der polnischen Gesellschaft die Trennungslinien verschwanden, mit Ausnahme der einen: entweder gegen die sich verbreitende Hetze oder für sie.“
Auf eine Verschärfung des Antisemitismus nach Pi³sudskis Tod (1935) verweist auch Eva Hoffmann. Er habe auch in Teilen der katholischen Kirche Unterstützung gefunden. Sie schreibt: „Zur Verschlechterung des Klimas trug auch die katholische Kirche bei, indem sie antijüdische Predigten tolerierte. Immer häufiger erschienen von der Kirche herausgegebene antisemitische Broschüren. Sie stellten die Juden als wirtschaftsschädigende Menschen dar, als ein demoralisierendes Element, das die moralische Gesundheit der Nation bedroht, sowie als Agenten des Kommunismus. Der Terminus ‘Judenkommune’ wurde allgemein gebräuchlich. Für die offenen Antisemiten war der Jude nicht mehr nur ein ‘Anderer’, sondern ein innerer Feind...“
Doch bei all diesen Beweisen für einen in der II. Republik belegbaren Antisemitismus darf man nicht übersehen, daß er lediglich mit einer, wenngleich einflußreichen politisch-ideologischen Richtung verbunden war. Die Sozialisten waren von diesem Virus frei, und im katholischen Raum stellte sich die in „Odrodzenie“ vereinigte junge Intelligenz judenfeindlichen Tendenzen entgegen. Zu betonen ist, daß es in Polen in den 20er und 30er Jahren keinen machtgestützten, staatlich verordneten Antisemitismus gegeben hat, wie dies in Deutschland mit der Machtübernahme Hitlers der Fall war.
Neben der aktuellen Aufarbeitung des Antisemitismus der Zwischenkriegszeit gilt die Erinnerung dem damaligen innerjüdischen Leben. Dieses bietet dem Betrachter ein sehr buntes, komplexes, heute weithin vergessens Bild. In den 90er Jahren erschien eine kaum mehr überschaubare Fülle an Veröffentlichungen, um diesen Gedächtnisverlust aufzuarbeiten. Sie verdeutlichen, daß die polnischen Juden in den 20er und 30er Jahren keineswegs eine in sich geschlossene soziale Gruppe bildeten. Ganz im Gegenteil. So gab es die in der Öffentlichkeit durch Kleidung und Haartracht auffälligen orthodoxen Juden, die im übrigen in Polen die Mehrheit bildeten, und es gab die assimilierten und emanzipierten Juden, die sich in nichts von ihren polnischen Mitbürgern unterschieden, zu denen sie zahlreiche Kontakte unterhielten. Sie gehörten in der Regel der Oberschicht an, waren in gut bezahlten Berufen tätig und genossen öffentliches Ansehen. Das jüdische Proletariat dagegen war sozial deklassiert, und beide gesellschaftlichen Gruppen waren durch eine tiefe Kluft voneinander getrennt. Auch politisch waren die Juden gespalten: Es gab die Zionisten, die von einem eigenen Staat in Palästina träumten, und es gab eine breite Schicht assimilierter und gebildeter Juden, die in der polnischen Kultur tief verwurzelt waren, diese bereicherten und nicht daran dachten, jemals ihre polnische Heimat zu verlassen. Juden waren Parteigänger Pi³sudskis und Aktivisten der Kommunisten Partei. Es gab zahlreiche jüdische Theater und Kinos, Verlage und Buchhandlungen, eigene Schulen und Vereinigungen. Die Juden verfügten über ein reiches Pressewesen sehr unterschiedlicher Richtungen mit einer die Zeitungen der übrigen Minderheiten weit übersteigenden Auflagenhöhe von gut 300 000 Exemplaren. Die Hälfte aller jüdischen Blätter erschien in Warschau, davon 30% in polnischer, 70% in jiddischer Sprache. An dieser sprachlichen Trennung wird deutlich, daß die polnischen Juden in sehr unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen lebten - Jiddisch und Hebräisch dienten der besonderen Wahrung ihrer jüdischen Identität und waren eng mit der Praxis ihres religiösen Lebens verbunden, das Polnische dagegen war das sprachliche Vehikel ihrer engen Verflechtung mit der Mehrheitsnation. Diese Unterschiedlichkeit im Gebrauch der Sprache durchzog in vielfältiger Form alle jüdischen Lebensbereiche. Und nicht alle Juden beherrschten sowohl das Jiddische als auch das Polnische, um an beiden Lebensbereichen zu partizipieren. Das alles fand mit dem 1. September 1939 ein Ende, als deutsche Truppen das Land überfielen. Mit der einzigen, den Holocaust einleitenden Identifizierung als Jude wurden alle diese Unterschiede hinfällig, und das reiche, bunte jüdische Leben wurde ausgelöscht.
Differenzierte Aufarbeitung des polnisch-jüdischen Verhältnisses
Das Faktum, dass es sich bei den polnischen Juden um keine in sich geschlossene soziale Gruppe handelte, läßt jede globale Stereotypisierung als absurd erscheinen und verlangt stattdessen eine sehr differenzierte Aufarbeitung polnisch-jüdischer Beziehungen, um die Aufklärung bestimmter, tief sitzender Stereotype zu ermöglichen. Nehmen wir als Beispiel die „Judenkommune“, ein aus der Zwischenkriegszeit stammendes Stereotyp, das sich als äußerst vital erweist und bis in die Gegenwart Wirkung zeigt. Es suggeriert eine auf den Untergang Polens zielende Zusammenarbeit von Juden und Bolschewisten. Unbestritten ist, daß neben Polen auch Juden zu den Aktivisten der 1918 gegründeten Kommunistischen Partei Polens zählten. Doch warum? Was waren ihre Beweggründe?
In ihrer Familiengeschichte, die ein breites Spektrum weltanschaulicher und politischer Grundeinstellungen zeigt, erläutert Joanna Olczak-Ronikier am Beispiel des der politischen Linken in führender Position angehörenden Bruders ihrer Großmutter, Maximilian Horwitz (1877-1935), die internen Auseinandersetzungen innerhalb der sozialistischen Partei von Józef Pi³sudski. Sie führten 1906, also noch vor der staatlichen Wiedergeburt Polens, zur Spaltung in eine rechte und eine mit Lenin sympathisierende linke Fraktion. Kernpunkt der Auseinandersetzung bildete die Frage, ob die soziale und ethnische Befreiung vor der nationalen Befreiung Priorität beanspruchen könne oder ihr nachgeordnet sei. In Anbetracht des Antisemitismus der Nationalisten bezweifelte die Linke, daß allein schon die staatliche Wiedergeburt Polens den Juden und anderen Minderheiten die ersehnte gesellschaftliche Gleichstellung bringen würde. Dieses Ziel müsse in einem internationalen Rahmen verfolgt werden. In seiner 1907 in der Haft verfassten Schrift „Die Judenfrage“ zeigt sich Horwitz überzeugt, daß „der nicht assimilierte Jude, der noch nicht zur Würde eines Polen erhobene Jude in der Meinung der Gesellschaft ein Untermensch bleibt. Um Mensch zu sein, muß ein Jude aufhören, Jude zu sein.“ Doch auch die Assimilation biete den Juden letztlich keinen Schutz. Horwitz nennt sie „eine bankrotte Ideologie jüdischer Bourgeoisie und Intelligenz“. Und sie sei zudem eine Täuschung, denn mit der wachsenden Zahl assimilierter Juden wachse auch der aggressive und auch gegen sie gerichtete Antisemitismus der Nationalisten.
An Horwitz’ Schicksal verdeutlicht Olczak-Ronikier zudem, daß die Linke mit ihrem Glauben an den Kommunismus einer Illusion erlag und welchen Preis sie dafür zu entrichten hatte. Mehrfach verhaftet und eingekerkert, verbannt, entflohen, stets gesucht und gejagt, an wechselnden Orten unter falschem Namen sich aufhaltend, führte Horwitz noch in der Zeit der Teilungen und dann in der II. Republik das Leben eines Berufsrevolutionärs. Nach Gründung der Kommunistischen Partei vertrat er diese als Mitglied des Zentralkomitees bei der Komintern. Er gehörte dem engeren Kreis um Lenin an, emigrierte in die Sowjetunion und wurde 1937 im Zuge der stalinistischen Säuberungen in Moskau ermordet.
Wie stark das auf die Zwischenkriegszeit zurückgehende Stereotyp der „Judenkommune“ nachwirkte und die Denkweise vieler, dem kommunistischen Nachkriegssystem der Volksrepublik ablehnend gegenüberstehender Polen bestimmte, zeigt Mazowiecki in seinem bereits zitierten Beitrag durch das Bemühen, dieses Vorurteil aus der „historischen Situation heraus zu erklären. Dabei verweist er nicht nur auf die frühe Bindung eines Teils der assimilierten jüdischen Intelligenz an die kommunistische Bewegung, sondern auch auf das Faktum, daß viele polnische Juden in der Sowjetunion die Shoa überlebt hatten. Diese sahen in ihr „ein beständiges Bollwerk gegen eine mögliche Wiedergeburt des Rassismus und Antisemitismus. Das beeinflußte zweifellos ihre Einstellung zur neuen, revolutionären Macht. Die traditionelle polnische Intelligenz befand sich dagegen in ihrer überwiegenden Mehrheit auf die eine oder andere Art in der Opposition. Diese Tatsachen werden heute gern vergessen, wenn man nach den ‘Entstehungsursachen’ fragt und daraus ein Argument ableitet, das dem Antisemitismus in unseren Verhältnissen angeblich eine gewisse Berechtigung verleihen soll.“
Jüdisches Erbe als Teil polnischer Kultur
Ein besonderer Aspekt differenzierter Aufarbeitung des polnisch-jüdischen Verhältnisses betrifft das reiche jüdische Erbe. Wie oft im Leben, so gilt auch hier, daß erst der unwiederbringliche Verlust den Wert des Verlorenen zu Bewußtsein bringt. In den 90er Jahren mehrten sich die Stimmen derer, die das fast völlige Verschwinden jüdischen Lebens als Verarmung polnischer Kultur beklagten. Es zeigte sich ein förmlicher Trend, sich des Vergangenen zu erinnern: Bildbände entfalten vor dem Auge des Betrachters den ganzen Reichtum einstigen jüdischen Lebens; Familiengeschichten vermitteln über mehrere Generationen einen Eindruck von den Leiden und Freuden des Zusammenlebens der Juden mit ihren polnischen Mitbürgern; wissenschaftliche Untersuchungen belegen, in welchem Ausmaß Juden zur Bereicherung der polnischen Kultur beigetragen haben. In der Besprechung eines dieser zahlreichen, der Geschichte der polnischen Juden gewidmeten und jüngst verlegten Werke, eines Wörterbuchs, verweist die Rezensentin unter dem bezeichnenden Titel „Wiederkehr der Geschichte“ darauf, daß infolge der tragischen Ereignisse des letzten Jahrhunderts erst der politische Umbruch Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre die Möglichkeit eröffnete, den Anteil der Juden an der polnischen Kultur mit der erforderlichen wissenschaftlichen Gründlichkeit zu erforschen und damit endlich ein seit den 30er Jahren bestehendes Desiderat zu erfüllen. Das 400 Seiten starke Wörterbuch erläutert nicht nur heute bereits vergessene, mit dem jüdischen Brauchtum und Alltagsleben verbundene Termini, es präsentiert auch über tausend Lebensschicksale bedeutender polnischer Juden, darunter eine große Anzahl von Schriftstellern und Künstlern. Ausgewählt wurden ausschließlich Persönlichkeiten, die sich entweder gar nicht assimiliert hatten oder sich trotz ihrer Assimilierung der jüdischen Tradition weiterhin verbunden fühlten.
Noch eine weitere Publikation sei erwähnt - die mit weit über 500 Illustrationen künstlerischer Werke umfangreiche Darstellung von Jerzy Malinowski „Malerei und Plastik polnischer Juden im 19. und 20. Jahrhundert“. Leben und Schaffen des überwiegenden Teils dieser Menschen endeten in den Vernichtungslagern von Treblinka und Auschwitz oder in den Gettos von Warschau und anderer Städte. Es sind weithin vergessene Namen und Werke, die Malinowski in Erinnerung ruft, die es heute neu zu entdecken gilt und die einem zugleich die ganze Tragik und Tragweite des durch den Holocaust erlittenen kulturellen Verlustes vor Augen führt.
Das Werk wirft im übrigen eine Menge Fragen auf, so auch die nach dem spezifisch Jüdischen der erinnerten Kunstwerke. Es allein in der inhaltlichen Darstellung zu suchen, wäre unzureichend, zumal sich auch bei polnischen Künstlern jüdische Themen finden. Malinowski zitiert angesichts dieser Problematik einen jüdischen Kritiker aus dem Jahr 1929. „Früher sah man im jüdischen Kaftan das Symbol jüdischer Kunst, doch ließ sich diese Auffassung nicht aufrecht erhalten, da auch nichtjüdische Maler Kaftan und Bart eines Juden darzustellen vermögen... Jüdisch kann selbst eine Landschaft in Zakopane sein, falls sie mit den Augen jüdischer Sehnsucht betrachtet wird. Doch hier drängen sich sehr ernsthafte Schwierigkeiten auf, geht es doch um Erfassung und geistige Formulierung der jüdischen Sehnsucht.“
Was aber ist diese „jüdische Sehnsucht“, die nur durch eine sehr subtile Deutung der Werke jüdischer Künstler zu erfassen ist? Es ist - wie der Rezensent verdeutlicht - das Verlangen nach gleichberechtigter Teilhabe an der polnischen und europäischen Kultur, nach gesellschaftlicher Akzeptanz, für welche die ethnische Herkunft keine Barriere darstellt, nach Beheimatung und Integration ohne den Druck einer die eigenen Wurzeln verleugnenden Assimilation. Er verwehrt sich dagegen, die Werke jüdischer Künstler durch das Prisma der Assimilation zu betrachten. Dies verleite nur zu leicht dazu, nach dem Maß an Übereinstimmung oder Abweichung von der „polnischen“ Kunst zu fragen. Eine solche Frage mache jüdischen Künstlern ihren Ort innerhalb der polnischen Kultur streitig und unterziehe sie einer Unterscheidung, die sie selbst nicht wollen. Der Rezensent sieht darin eine Tendenz, die letztlich zur Vernichtung der Juden geführt habe, da für Hitler und seine Gefolgsleute die Assimilation „die größte Bedrohung für die Reinheit der europäischen Kultur“ gewesen sei. Er vermerkt allerdings einschränkend, daß die Assimilation in Polen nicht die Bedeutung wie in Westeuropa gehabt habe, da sie nicht zu den verarmten jüdischen Massen durchgedrungen und außerdem mit dem orthodoxen mystischen Chassidismus zusammengestoßen sei. Doch für den gesellschaftlich aufstrebenden Teil der polnischen Juden sei sie zu einem bestimmenden Faktor geworden und erfordere damit eine eigene Aufarbeitung.
Assimilation - eine enttäuschte Hoffnung
In seiner Geschichte der polnischen Juden setzt sich Andrzej ¯bikowski ausführlich mit den Hoffnungen und dem Scheitern des Assimilationskonzepts auseinander. Wörtlich schreibt er: „Das lange 19. Jahrhundert brachte der jüdischen Bevölkerung die ersehnte rechtliche Gleichstellung. Entsprechend der Absicht aufgeklärter Polen und Juden sollte sie der erste Schritt in einem mühsamen Assimilationsprozeß einer millionenfachen Bevölkerung sein. Doch die hochgesteckte Hoffnung der Vertreter einer Assimilation wurde zu einer einzigen großen Enttäuschung. Die Mehrheit der polnischen Juden hielt an den traditionellen Formen ihrer Religion und ihres Brauchtums fest, ja sie sah im bloßen Gedanken einer Angleichung an die polnische nationale Kultur eine Gefahr für den durch Gottes Gebot vorgezeichneten Lebensweg. Andererseits brachte die rechtliche Gleichstellung beträchtliche Vorteile im Alltag, eröffnete die Chance zu neuen Berufszweigen, sorgte für eine größere Mobilität und erleichterte die Kontakte zu Klienten und Behörden... Der Preis dieser Veränderungen war eine gewaltige Aufspaltung der jüdischen Gesellschaft: Es kam zu bislang unbekannten Gegensätzen zwischen ihren einzelnen Gruppen. Die Reichen wurden immer reicher, und mit den Armen ging es immer weiter abwärts. Die sprichwörtliche jüdische Solidarität erfuhr eine empfindliche Schwächung.“ Damit wird deutlich, daß im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Assimilationskonzept nicht nur die polnisch-jüdischen Beziehungen, sondern auch die innerjüdischen Verhältnisse einer Aufarbeitung bedürfen.
Zu den Gründen, die ¯bikowski für das Scheitern des Assimilationskonzepts anführt, zählt auch der Widerstand des städtischen Bürgertums, das durch eine Emanzipation der Juden die eigenen beruflichen und gesellschaftlichen Chancen gefährdet sah. Befürwortet wurde sie nach Żbikowski von der liberalen polnischen Intelligenz, die aber gegen Ausgang des 19. Jahrhunderts immer häufiger von ihrer ursprünglichen Auffassung abgerückt und auf die Meinung des Bürgertums eingeschwenkt sei. Man habe den Juden für polnische Interessen ein fehlendes gesellschaftliches Engagement zugeschrieben und diesen Mangel an Nützlichkeit auf eine von den Polen abweichende Entwicklung der jüdischen Gruppe zurückgeführt; die gelte es, durch ihre Assimilation zu korrigieren. Damit habe dem Assimilationskonzept eine grundsätzlich negative Einschätzung der Juden zugrunde gelegen. Mit dem Scheitern der Assimilation sei diese dann umso deutlicher geworden. Unter Hinweis auf den Dichter und Publizisten Andrzej Niemojewski (1864-1921), dem zufolge „die Juden sich immer aus freien Stücken amoralisch verhalten, indem sie von langer Hand geplante und nur ihnen nützliche Ziele verfolgen“ urteilt Żbikowski: „Dies war bereits ein antisemitisches Denken... Der Jude, das ist schon nicht mehr der ‘Fremde’, sondern der ‘Feind’ Polens und seines nationalen Interesses. Ihn muß man um jeden Preis von den Polen absondern.“
Die gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Polen aufkommende Diskussion um eine Assimilation der Juden steht in einem besonderen historischen Kontext. Die erste polnische Teilung (1772), durch die weite Gebiete unter österreichische, preußische und rußische Herrschaft gerieten, warf unter den polnischen Intellektuellen und Politikern Fragen nach den Gründen des staatlichen Niedergangs sowie nach Reformen auf: Sollte die „Nation“ wie in der Vergangenheit auf die adelige Führungsschicht begrenzt und breite Bevölkerungsteile von ihr ausgeschlossen bleiben? Sollte sie in Anbetracht der Vielzahl an auf polnischem Boden wohnhaften Völkerschaften auch in Zukunft ihre multi-ethnische Grundlage behalten? Aber lag nicht gerade in ihr die Schwäche der Adelsrepublik begründet, die ihren Untergang besiegelt hatte? War nicht für die Wiedergeburt Polens ein starkes, auf einem einheitlichen Wertekanon basierende Polentum erforderlich?
Auch die Juden. fragten nach ihrem Platz innerhalb des Polentums. Konnten sie in seinem Rahmen ihre Selbständigkeit behaupten und in allen gesellschaftlichen Bereichen Gleichberechtigung beanspruchen? Aber warum sollten sie sich nicht ebenso wie die Polen einen eigenen Staat wünschen, sie, die nicht nur über Jahrzehnte, sondern jahrhundertelang unter Fremdmächten gelebt hatten? Warum nicht von einer Rückkehr nach Palästina träumen? Doch dazu mußte man, um in der Geschichte zu bleiben, eingedenk des Prophetenwortes (Jes. 7, 9) durch eine starke Glaubensbindung die jüdische Identität bewahren. Würde aber nicht im Falle einer ihnen abverlangten Angleichung an das Polentum eben diese Identität ernstlich bedroht sein? Nicht nur Polen und Juden stritten miteinander um die Konzepte von Emanzipation und Assimilation, auch die Juden selbst lagen mit sich im Streit, inwieweit sie das Polentum annehmen konnten. Und dieser Streit sollte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein andauern.
Żbikowski führt das im Laufe des 19. Jahrhunderts mehrfach modifizierte Assimilationsprojekt auf den der 2. Teilung (1793) unmittelbar vorausgehenden Vierjährigen Sejm (1789-1792) zurück. Dieser berief eine eigene Kommission, die sich im Rahmen der angestrebten Reformen mit der Stellung der Juden befaßte. Żbikowski betont, daß es zu diesem Zeitpunkt unter den Juden viele Befürworter einer Assimilation gegeben habe, welche die Hoffnung hegten, von dem Zwang befreit zu werden, ständig aufgrund ihrer Fremdheit ihre Nützlichkeit unter Beweis stellen zu müssen. Es lag in ihrem Interesse, daß dieses Problem ein für alle Male gelöst wurde, indem sie als assimilierte Juden eo ipso für nützlich gehalten wurden.
Das von der Kommission unter Anhörung jüdischer Stimmen beschlossene Assimilationskonzept war denn auch im Einklang mit den Ideen der Aufklärung stark vom Nützlichkeitsgedanken her bestimmt. Żbikowski zitiert Mateusz Butrymowicz, einen der Kommissionsmitglieder, mit der Aussage, „daß ‘das unter der lokalen Leitung der jüdischen Gemeinde stehende jüdische Volk aufgrund seiner Andersartigkeit in Kleidung und Lebensweise dem Land nicht nützlich sein kann, sondern zu einer unerträglichen Last werde’.“ Dabei bescheinigt er den Kommissionsmitgliedern „die besten Absichten, verfolgten sie doch das Ziel, das jüdische Volk ‘zu einem dem Land nützlichen’ zu machen sowie seine Sitten und Gebräuche ‘zu vervollkommenen’. Dazu erschienen assimilatorische Bemühungen unumgänglich; z. B. soll die jüdische Jugend ihre Bildung in polnischen Elementar-, später in Hochschulen erwerben. Die hebräische und jüdische Sprache (Jiddisch) sollte lediglich in der Liturgie Verwendung finden, die Juden sollten sich ausschließlich europäisch kleiden und ihre Rabbiner die Arbeit am Sonnabend erlauben.“
Auch wenn - wie Żbikowski anmerkt - diese radikalen Vorstellungen in den offiziellen Projekten der Kommission abgemildert wurden und man Rabbinern wie älteren Leuten das Tragen ihrer traditionellen Kleidung zugestand, so wird doch deutlich, wie tiefgreifend eine Assimilation das jüdische Leben betraf und diese letztlich auf eine Polonisierung hinauslief.
Als besonders fatal erwies sich, daß die von den Juden gewünschte völlige rechtliche Gleichstellung von ihrer Assimilation abhängig gemacht wurde. ¯bikowski zeigt, daß die unter Einfluß des Napoleonischen Kodex entstandene liberale Konstitution des Fürstentums Warschau von 1807 den Juden zwar ihre Bürgerrechte garantierte, die praktische Umsetzung jedoch am Widerstand der Schlachta und des Bürgertums scheiterte. Diese hielten an der Forderung fest, „daß sich die Juden zunächst ‘zivilisieren’ müssen und es erst dann verdienen, mit dem Rest der Gesellschaft die gleichen Rechte zu beanspruchen.“
¯bikowski fügt erläuternd hinzu, daß diese Argumentation zwar aus heutiger Sicht schockierend wirken mag, man aber zu damaliger Zeit überzeugt gewesen sei, daß eine solche Gleichberechtigung nur solchen Menschen zustehe, die in derselben Kultur aufgewachsen sind, von den Juden also zu fordern sei, daß sie sich der Sprache bedienen, in der die sie betreffenden Gesetze abgefasst sind. Die sie nicht kennen, denen war damit schließlich eine Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben versagt, und sie haben in den Angelegenheiten des Landes, in dem sie leben, nichts zu melden.“ Eine Argumentation, die angesichts der gegenwärtigen innerdeutschen Debatte um Zuwanderung, „Leitkultur“ und Integration seltsam vertraut klingt!
Joanna Olczak-Ronikier zeigt in ihrer weit ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Familiengeschichte die Auswirkung der Assimilation, durch die in den Metropolen, zumal in Warschau, eine im Verhältnis zur jüdischen Gesamtbevölkerung relativ kleine Schicht assimilierter Juden heranwuchs, die sich ganz bewußt als Glieder der polnischen Gesellschaft verstanden und diese mitgestalten wollten. Sie gelangten vielfach zu Reichtum und Besitz, pflegten die für jene Zeit typische Kultur der Salons, ließen ihre Töchter, denen der Besuch jüdischer Schulen verwehrt war, durch private Erzieherinnen eine Bildung nach europäischem Standard zuteil werden, bei der neben Musik und Malerei die Beherrschung des Französischen im Vordergrund stand, was sie zu einer für jene Jahre erstaunlichen Selbständigkeit befähigte. Solche Assimilationsprozesse waren indes bei all ihrem äußeren Glanz nicht frei von innerem Leid. Im Rückblick auf die Assimilation ihrer Mutter und Großmutter schreibt die Autorin: „Es ist heute schwer vorstellbar, wie schmerzlich dieser Prozess war, sich von seinen Wurzeln zu lösen. Wie viel an Demütigungen auf diesem Weg der Polonisierung zu ertragen war. Wie viel sich an Verrat, Illoyalität, größeren und kleineren Verfehlungen gegenüber den Verlassenen mit diesem Anstieg zum Gipfel eines Eisberges verband.“
Assimilationsvorstellungen im Spiegel der Literatur
Die Vorstellungen der polnischen Aufklärer von einer Assimilation der Juden fanden ihren Niederschlag auch in der Literatur. Sie waren damit für das gesellschaftliche Bewußtsein des ausgehenden 18. und des gesamten 19. Jahrhunderts prägend. Es ist vor allem der Danziger Literaturwissenschaftlerin Maria Janion zu danken, diesen Aspekt neuerdings aufgearbeitet zu haben. So verweist sie u.a. auf Julian Ursyn Niemcewicz (1757-1841), der mit „Lejbe und Siora oder Briefe zweier Liebender“ als erster polnischer Autor das polnisch-jüdische Verhältnis literarisch behandelt hat.
Die Liebesgeschichte in Form eines Briefromans ist schnell erzählt: Die schöne Siora ist Jankiel, einem Chassiden, versprochen, der in dem Roman als negativer Held fungiert. Er wird als hart und rücksichtslos geschildert, ist zudem in einem, dem Geist der Aufklärung fremden Mystizismus gefangen. Bezeichnend ist die Szene, in der Siora von Jankiel religiös examiniert wird: Befragt, was geschieht, wenn man in der Sabbatnacht ein Licht anzündet, antwortet Siora: Das ganze Zimmer wird hell. Falsch, erklärt Jankiel: Der Schein der Kerze erleuchtet die ganze Welt.
Siora weist Jankiels Werbung zurück. Sie liebt Lejbe, einen aufgeklärten Juden. Die Liebenden nehmen für ihre Liebe manche Demütigungen in Kauf, werden schließlich von der Gemeinde verstoßen und von Fanatikern verfolgt. Doch alles nimmt ein gutes Ende: Lejbe und Siora heiraten und finden in einem aufgeklärten polnisch-jüdischen Milieu Heimat und Existenz.
Janion sieht in der Romanze lediglich „eine Art Ornament“ für die eigentliche Thematik - die Juden aus der „Enge und Finsternis“ ihrer religiösen Vorstellungswelt zu befreien und aus ihnen „nützliche Bürger“ zu machen. Dieses am Schicksal der Liebenden demonstrierte Deutungsmuster verstärkt Niemcewicz durch die Nebenfiguren. So beschuldigt der arme, ungebildete Jude Chaim ganz im Geiste der Aufklärung die Gemeindeältesten, indem er an Lejbe schreibt: „Sie halten uns bewußt in Finsternis und Fanatismus, damit wir ihnen unter dem Anschein der Religion in allem blind gehorchen... Ihr wahres Ziel ist es, sich mittels unserer Finsternis zu bereichern.“ Gegen Ende des Romans berichtet der greise Abraham, daß er die Bücher, angefüllt mit einem „schändlichen, unmenschlichen Aberglauben“ - gemeint ist vor allem der Talmud - verbrannt habe. Ihm folgen auf dieses Signal hin weitere Juden, wobei Niemcewicz diesen barbarischen Akt der Bücherverbrennung als wahren Freudentaumel schildert.
So zeigt der erste polnische Roman mit einer polnisch-jüdischen Problematik die ganze Tragik einer auf die Preisgabe jüdischer Identität basierenden Assimilation.
Maria Janion kommentiert noch einen zweiten Text von Niemcewicz: „Das Jahr 3333 oder ein unerhörter Traum“ Es handelt sich um eines der ungerechtesten und böswilligsten antijüdischen Pamphlete in der polnischen Literatur. Die Autorin sieht in dem Text „den Beginn eines äußerst gefährlichen polnischen Phantasmas des Antisemitismus“ In Form eines Albtraums entwirft Niemcewicz in dieser 1817, drei Jahre vor seinem Briefroman erschienenen Schrift das Bild einer künftigen Gefahr, zu der es kommen könnte, wenn die Assimilation nicht zu einer Polonisierung der Juden, sondern zur Judaisierung Polens führen würde: Durch beharrliches Bemühen sowie durch Betrug haben die Polen ihren Besitz an Juden verloren. Nicht zuletzt infolge mancher polnischer Charakterschwächen gelangen sie schließlich zur Herrschaft und errichten in Warschau ihr „schwarzes Königreich“.
Allerdings lassen sich in der polnischen Literatur des 19. Jahrhunderts auch Werke finden, die ein durchaus positives Bild polnischer Juden zeichnen. Żbikowski führt hier so bedeutende Namen an wie Adam Mickiewicz (1798-1855), Elza Orzeszkowa (1841-1910), Wladysław Reymunt (1867-1925) und Bolesław Prus (1845-1912), um dann allerdings einschränkend zu vermerken: „Für Polen war dies immer eine geheimnisvolle und exotische Welt, aus der sich ein stereotypes, oberflächliches Bild ergab.“
Adam Mickiewicz - Anwalt „Israels“
Die von Żbikowski vorgenommene Einschränkung gilt allerdings nicht für Polens Nationaldichter Adam Mickiewicz. Dieser hat nicht nur mit der Gestalt des Jankiel in „Pan Tadeusz“ einem polnischen Juden ein literarisches Denkmal gesetzt, er trat auch in kritischer Auseinandersetzung mit den Assimilationskonzepten seiner Zeit für ein tiefes Verständnis für die Gemeinsamkeit von Polen und Juden ein. Diese „vergessene Wahrheit“ wieder in Erinnerung gerufen zu haben, muß als ein äußerst wichtiger Beitrag von Maria Janion zur Überwindung eines das polnisch-jüdische Verhältnis betreffenden Gedächtnisverlustes gewertet werden. Die Danziger Literaturwissenschaftlerin belegt ausführlich das große Interesse, das Mickiewicz allem Jüdischen entgegenbrachte. Nach seiner Überzeugung habe die Vorsehung nicht zufällig „beide einander fremden Völker“ in Berührung gebracht. „Beide stellten sich die Frage, warum eine so zahlreiche Population von Juden sich auf polnischer Erde ansiedelte, und beide meinten, daß sich darin ein Plan der Vorsehung verberge und zwischen Israel und Polen eine mystisch-mesianische Vereinigung bestehe.“
Seiner Zeit weit voraus und geradezu theologisch modern mutet die Aussage an, die Mickiewicz als neunten Punkt seiner „Grundsätze“ des „Polentums“ formuliert: „Achtung gegenüber Israel, dem älteren Bruder, Bruderschaft, Hilfe auf dem Weg zu seinem zeitlichen und ewigem Wohl. Gleiche Rechte in allem.“ Damit habe Mickiewicz auf einer Bruderschaft bestanden, die den Juden den Vorrang des Älteren einräumt. In Konsequenz dieser Bruderschaft habe er die von den Aufklärern propagierte und betriebene Assimilation abgelehnt, mit der seiner Meinung nach ein weitgehender Verlust der auch für die polnische Nation bedeutsamen geistig-religiösen jüdischen Substanz einhergehe. Er habe für eine Verbundenheit von Juden und Polen plädiert, die - bei all ihren Unterschieden - letztlich in einem gemeinsamen Erbe wurzelt. Dieses von Mickiewicz mit „Israel“ umschriebene Erbe bilde die eigentliche jüdische Substanz und verkörpere sich aufgrund der jüdischen Diaspora zugleich in anderen Nationen.
Mickiewicz’ Vision des polnisch-jüdischen Verhältnisses sei indes in Kreisen der Pariser Emigration, die ihm eine Apotheose alles Jüdischen vorwarfen, auf Ablehnung gestoßen. So habe etwa der zum Dreigestirn polnischer Romantik zählende Cyprian Kamil Norwid (1821-1883) Mickiewicz’ Auffassung für unannehmbar gehalten, weil diese eine völlige Rückkehr zum Alten Testament bedeute und damit nicht nur zum Christentum als solchem, sondern auch zur Anbindung der polnischen Nation an das Christentum in Widerspruch stehe. Doch Mickiewicz sei seiner Sicht treu geblieben. Janion verweist in diesem Zusammenhang auf die von Mickiewicz initiierte jüdische Legion, bei der er großen Wert auf die Wahrung der religiösen Eigenart der Juden gelegt habe. Im Lager in Burgas, wo sich Moslems, Christen und Juden zum gemeinsamen Kampf gegen die russische Vormacht zusammenfanden, habe es eine Synagoge gegeben. Proselytentum sei strengstens untersagt gewesen. Die einzelnen Religionsgemeinschaften hätten ihre eigenen Gottesdienste gehabt: die Moslems am Freitag, die Juden am Sabbat, die Christen westlichen und östlichen Bekenntnisses am Sonntag. Janion wertet dies als ein frühes Beispiel religiöser Toleranz, für das man in der Geschichte schwerlich eine Parallele finden dürfte.
Auch für die - übrigens nicht zum Einsatz gekommene - jüdische Legion habe das Motto der polnischen Romantik gegolten: Für eure und unsere Freiheit. Daß es sich hierbei nicht um eine billige Floskel, sondern um eine weitreichende Verpflichtung gehandelt habe, zeige Mickiewicz’ Aussage, daß „ohne Befreiung der Juden und Entwicklung ihres Geistes Polen nicht wiedererstehen kann. Würde es, was ich nicht glaube, ohne Befreiung der Juden wiedererstehen, wird es mit Gewissheit keinen Bestand haben.“
Mickiewicz sei nicht nur ein Gegner der Assimilation gewesen, ihn habe auch der Gedanke beunruhigt, die Juden, in denen er einen unverzichtbaren Teil des polnischen Geistes sah, könnten nach Palästina auswandern. Janion zitiert ihn mit den Worten: „Ich möchte nicht, daß die Israeliten Polen verlassen, denn wie die Union Litauens mit Polen unserer Republik politische und militärische Stärke verliehen hat, obwohl ihre Rassen und Religionen verschieden waren, so glaube ich auch, daß die Union Polens mit Israel unsere geistige und materielle Kraft mehren würde.“
Janion geht auch auf Mickiewicz’ Auseinandersetzung mit Schriftstellerkollegen ein, die in ihren Werken judenfeindliche Tendenzen verfolgten. Insbesondere bezieht sie sich auf fünf seiner 1843 gehaltenen Pariser Vorlesungen zur Interpretation der „Ungöttlichen Komödie“ von Zygmunt Krasiński (1812-1859). Zwar habe Mickiewicz die Bedeutung dieses Dramas zu würdigen gewußt, doch habe er die Art, in der Krasiñski die Juden in sein Drama einbezog, mit den Worten kritisiert. „Er beging, so kann man sagen, einen nationalen Frevel, indem er den Charakter der Israeliten verunglimpfte: Er stellte das israelitische Volk dar, als würde es nur auf einen günstigen Augenblick lauern, um Adel und Bauern zu vernichten, um den Untergang des Christentums zu vollenden. Dem Vertreter Israels legte er die haßerfülltesten und grausamsten Worte in den Mund ... So leichtsinnig darf man mit der Vorsehung nicht umgehen, denn es ist nicht ohne Grund, daß die Israeliten so viele Jahrhunderte unter Polen leben und daß ihr Los eng mit dem der polnischen Nation verbunden ist.“
Maria Janion sieht in dem Streit zwischen Mickiewicz und Krasiński keine nur auf die Epoche der Romantik beschränkte, sondern sich das ganze 19. und 20. Jahrhundert hindurchziehende Auseinandersetzung. „Sie bildet einen unverzichtbaren Teil des neuzeitlichen polnischen kulturellen Paradigmas. Ohne sich des Charakters und der Dimension dieser Auseinandersetzung klar zu sein, können wir nicht über die polnische Kultur sprechen.“ Zusammenfassend schreibt sie: „Im Bewußtsein der geistigen Verbundenheit mit Millionen von Juden Osteuropas wollte Mickiewicz nicht ihre Bekehrung zum Christentum; er verwarf die Assimilation als einen nur scheinbaren Weg der Emanzipation, welcher der eigenen Religion und den traditionellen Gebräuchen gegenüber gleichgültig macht. Er anerkannte die Ursprünglichkeit und Eigenart der jüdischen religiösen und nationalen Identität, und um sie zum Ausdruck zu bringen, wollte er sie auch militärisch stärken. Dem Dichter wären die während der revolutionären Nationalversammlung von 1789 ausgesprochenen Sätze völlig fremd gewesen: ‘Der Jude als Individuum zwischen Individuen - ja! Juden als eigene Gemeinschaft - nein!’“
Die polnisch-jüdische Geschichte verlief leider nicht in der von Mickiewicz gewiesenen Richtung. Die Zeit war für die Vision einer Bruderschaft von Polen und Juden offenbar noch nicht reif. Derartige Überlegungen wurden erst durch die nachkonziliare Theologie und durch jüngste kirchenamtliche Äußerungen Bestandteil eines christlich-jüdischen Dialogs.
„Virtuelles Judentum“ - ein Hoffnungszeichen?
„Kerzen leuchten in den Fenstern der Synagoge. Stimmengeräusche. Eine vorbeigehende Frau wendet sich mißbilligend ab: Man weiß ja, Freitag, die Juden feiern.“
Doch die Frau irrt sich. In der alten Synagoge des ostpolnischen Grenzortes Sejny findet ein Konzert statt. Eine polnische Klezmer-Gruppe spielt vor polnischem Publikum.
Was ist davon zu halten? Was denken sich Juden dabei? Konstanty Gebert, Chefredakteur der in Warschau erscheinenden Zeitschrift „Midrasz“, geht diesen Fragen nach. Und er macht sich die Antwort keineswegs leicht. Er betrachtet die Sache aus verschiedenen Perspektiven, findet Argumente dafür und dagegen. Er erkennt an, daß schließlich die ortsansässigen nichtjüdischen Organisatoren der Stiftung „Grenzland“ die Synagoge vor dem Verfall gerettet haben, sie nicht als Magazin nutzen, sondern sich bemühen, ihren jüdischen Charakter zu erhalten. Gebert fragt sich: „Wenn sich Nichtjuden in einer ehemaligen Synagoge unter Benutzung jüdischer Elemente zu einer festlichen Veranstaltung versammeln, sollen wir uns dann darüber aufregen?“
Der Klezmerabend in der ostpolnischen Synagoge ist kein Einzelfall. Ähnliche Veranstaltungen gibt es an zahlreichen Orten. Die bekannteste ist das jährliche Krakauer Festival jüdischer Kultur, von Nichtjuden für Nichtjuden veranstaltet, auch wenn sich unter den Teilnehmern aus aller Welt angereiste Juden finden. Gebert bezeichnet dieses Phänomen als „virtuelles Judentum“, ein Begriff, der auf Ruth Ellen Gruber, Europakorrespondentin des „Jewish Telegraphic Agancy“, zurückgeht. Das Phänomen sei nicht auf Polen begrenzt, sondern erstrecke sich über den ganzen europäischen Kontinent. Doch während es in Ländern mit lebendigen jüdischen Gemeinden eine Randerscheinung bleibe, sei es in Polen aufgrund des Holocaust von besonderer Bedeutung. Hier entwickele sich ein „virtuelles Judentum“, ohne daß es in nennenswerter Zahl jüdische Gemeinden gibt; mehr noch: es entwickele sich, weil es sie nicht gibt.
Doch das „virtuelle Judentum“ ist nicht authentisch. Dieser Mangel an Authentizität hat für Gebert etwas Irritierendes. Schließlich sind es in Europa die Nachfahren derer, die für den Genozid an den Juden verantwortlich sind, die sich heute „der kulturellen Werte, Töne und Inhalte der ermordeten Nation annehmen.“ Ist da nicht der Vorwurf berechtigt, der - wie Gebert meint - von jüdischer Seite immer wieder erhoben wird: „Du hast gemordet und möchtest nun erben?“
Die Frage hat Gewicht. Doch - so fragt der Chefredakteur von „Midrasz“ - was wäre die Konsequenz einer Ablehnung des „virtuellen Judentums“? Und er antwortet: „Die einzige radikale Lösung wäre ein fundamentales Verbot eines kulturellen Austausches zwischen den Konfliktnationen. Doch wir wissen, daß ein solcher, wenn auch schwacher und brüchiger, Austausch einen der nicht sonderlich zahlreichen Pfeiler des Versuchs eines Brückenschlages bildet.“
So schlägt Gebert am Ende den Bogen zu einer positiven Wertung des „virtuellen Judentums“. Gerade eine Betrachtung der Beziehung zwischen Juden und Nichtjuden in Anbetracht der Shoa lege das Phänomen eines „virtuellen Judentums“ nahe. Es habe schließlich seinen Grund in einer Auflehnung der Nachkriegsgeneration gegen das Schweigen über den Holocaust und sei nach der Erklärung „Nostra aetate“ Ausdruck einer neuen Sensibilität von Christen für die jüdische Problematik.
Gebert sieht in dieser Entwicklung zudem eine Parallele zum Wirken der assimilierten, zumeist kosmopolitisch eingestellten Juden der ersten Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts. Freud (1856-1939) und Kafka (1883-1924) sowie die polnisch-jüdischen Schriftsteller Tuwim (1894-1953) und Leśmian (1878-1937) - um nur einige Namen zu nennen - hätten „eine Wende in der europäischen Kultur“ herbeigeführt. Indem sie die verschiedensten geistigen Einflüsse aufgegriffen und die nationalen Kulturen miteinander verbunden hätten, sei es ihnen gelungen, über eine bloß nationale „Virtualität“ hinaus an der Schaffung einer europäischen Kultur entscheidend mitzuwirken. Auch ihnen sei damals der Vorwurf gemacht worden, sich des jeweiligen nationalen Erbes zu bemächtigen und durch ihren jüdischen Einfluß zu vergiften. Damals habe man geurteilt: „Das Virtuelle ist nicht authentisch und daher schlecht.“
Gebert kehrt das Argument um: „Das Virtuelle ist nicht authentisch und daher gut - denn es ist das Unerwartete, Schöpferische, Fruchtbare.“ Seine Chance ist „die Befreiung der Kultur von ihren Begrenzungen... eine Universalisierung des Partikularen.“
Das „virtuelle Judentum“ - ein Hoffnungszeichen? Die Aufarbeitung des polnisch-jüdischen Verhältnisses sowie die Rückgewinnung und Reinigung des Gedächtnisses legten dafür den Grund. Ohne ihn wäre das „virtuelle Judentum“ kaum denkbar und verantwortungslos. Dieser Zusammenhang ist ein Stück Hoffnung auf eine Zukunft, von der wir heute noch nicht wissen können, welche positiven Möglichkeiten eines polnisch-jüdischen Verhältnisses sie vielleicht eröffnet.
Jan Tomasz Gross, Sąsiedzi. Historia zagłądy żydowskiego miasteczka, Sejny 2000. Unter dem Titel „Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne“ erschien 2001 eine aus dem Englischen übertragene Übersetzung.
Agnieszka Magdziak-Miszewska, Najpoważniejszy egzamin ( Examen von höchster Wichtigkeit), Więź 4/2001, S. 46.
Jerzy Turowicz, Antysemityzm (Antisemitismus), Tygodnik Powszechny 11/1957.
Polen und Juden. Gemeinsam unter einem Himmel, Więź, Sonderausgabe 2000.
Ebd., 39.
Ebd., S. 40.
Ebd., S. 44f.
Eva Hofmann, Sztetl. Świat Żydów Polskich, Warszawa 2001. Das Buch der aus Krakau stammenden, mit 13 Jahren emigrierten Autorin erschien ursprünglich auf englisch: Shetl. The Life and Death of a Smal Town and the World of Polish Jews.
Ebd., S. 34f.
Ebd., S. 16.
Viva 3/2001.
Marcin Zaremba, Urząd zapomnienia (Amt des Vergessens), Polityka 41/2001.
Vgl. etwa meinen in diese Sammlung aufgenommenen Beitrag „Trendwende oder Zerreißprobe“, Orientierung 2 und 3/1998.
Czesław Miłosz, Wyprawa w Dwudziestolecie (Reise in die zwanziger Jahre), Kraków 1999.
Józef Piłsudski betrieb seit Ende des 19. Jahrhunderts als Führer der illegal gegründeten Sozialistischen Partei mit großer Entschiedenheit die Wiedergeburt Polens. Im Gegensatz zu Dmowski vertrat er keine Konzeption eines ethnisch reinen Polen und war daher auch von antisemitischen Tendenzen frei. Von 1918-1922 war er Polens Staatsoberhaupt. 1926 überrnahm er durch einen Staatsstreich wiederum die Macht und schränkte zur Sanierung des Staates die demokratischen Freiheiten ein.
Ebd., S. 216.
Vgl. Maria Janion, Spór o antysemityzm (Streit um den Antisemitismus), Tygodnik Powszechny (Kontrapunkt) 22/2000.
Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Piasecki von den Sowjets verhaftet, dann von ihnen dazu erkoren, „fortschrittliche Katholiken“ um sich zu scharen, ein Sammelbecken, aus dem 1952 die von ihm bis zu seinem Tode geleitete Organisation „Pax“ hervorging. Auch diese Karriere kann als Indiz für eine gewisse Kontinuität zwischen der II. Republik und der kommunistischen Volksrepublik gewertet werden.
Ebd., S. 490f.
Ebd., S. 522.
Eva Hoffmann, a. a. O., S. 171f.
Hier zitiert nach Joanna Olczak-Ronikier, W grodzie pamięci (Im Garten der Erinnerung), Kraków 1999, S. 122.
Więź, Polen und Juden, a. a. O., S. 40.
Alina Cała, Hanna Węgrzynek, Gabriela Zalewska, Historia i kultura Żydów polskich (Geschichte und Kultur der polnischen Juden), Warszawa 2000.
Jolanta Żyndul, Historia przywracana, Nowe Książki 11/2000.
Jerzy Malinowski, Malerstwo i rzeżba Żydów polskich w XIX i XX wieku, Warszawa 2000.
Hier zitiert aus der Rezension von Przemysław Trzeciak, Ocalona z Zaglądy (Aus der Shoa gerettet), Nowe Książki 1/2001.
Ebd.
Andrzej Żbikowski, Żydzi (Juden), Wrocław 1998, S. 11.
Ebd., S. 117.
Ebd., S. 53.
Ebd., S. 62.
Ebd.
Joanna Olczak-Ronikier, a. a. O., S. 80.
Der polnische Titel lautet: Lejbe i Siora czyli listy dwóch kochanków. Ich stütze mich in diesem, die Literatur betreffenden Abschnitt vor allem auf Maria Janion, Do Europy tak, ale razem z naszymi umarłymi (Nach Europa ja, aber gemeinsam mit unseren Toten), Warszawa 2000, S. 101-119.
Maria Janion, ebd., S. 10f.
Der polnische Titel lautet: Rok 3333 czyli sen niesłychany.
Ebd., S. 123.
A. Żbikowski, a. a. O., S. 119.
Im Folgenden beziehe ich mich auf die bereits zitierte Schrift von Maria Janion, Do Europy..., a. a. O., S. 53-100.
Ebd., S. 54.
Ebd., S. 55.
Ebd., S. 88.
Ebd., S. 89.
Ebd., S. 67.
Ebd., S. 71.
Ebd., S. 95.
Konstanty Gebert, Nieautentyczność (Mangelnde Authentizität), Midrasz 6/2002, S. 45.
Ebd.
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