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Der Streit um die Formulierung „polnische Vernichtungslager“

Am 15. Juli 2013 hatte das ZDF auf seiner Internetseite als Übersetzung aus dem Französischen die in Arte zur Ausstrahlung vorgesehene Sendung „Verschollene Filmsätze“ angekündigt. In dem Beitrag „Befreiung der Konzentrationslager“ wird zunächst auf die Entdeckung von Konzentrationslagern durch die an der Westfront vorrückenden alliierten Truppen berichtet, die – wie es dort heißt – das ganze Ausmaß des nazistischen Terrors offenbaren. Anschließend ist von der „Entdeckung der polnischen Vernichtungslager Majdanek und Ausschwitz durch sowjetische Soldaten“ die Rede.

Am 19. Juli 2013 beanstandete die polnische Botschaft in der Bundesrepublik diese Formulierung. Sie wurde noch am gleichen Tag durch das ZDF korrigiert, sodass es dort nun mehr hieß: „Die Entdeckung der deutschen Vernichtungslager auf polnischem Gebiet Majdanek und Ausschwitz“.

Am 29. Juli 2013 legte ein ehemaliger polnischer KZ-Häftling Beschwerde ein und verlangte vom ZDF, eine von ihm selbst vorformulierte Entschuldigung in deutscher und polnischer Sprache einen Monat lang zu veröffentlichen sowie eine Zahlung von 50 000 Zł. an die Vereinigung „Patria Nostra“. Bei ihr handelt es sich um den Zusammenschluss nationalkonservativer Anwälte, die es sich zur Aufgabe machen, gegen Versuche vorzugehen, die ihrer Meinung nach eine Verfälschung polnischer Geschichte darstellen. Und die, wie man annehmen kann, in der Lage sind, die Klage des ehemaligen KZ-Häftlings und jetzigen Rentners durch mehrere Instanzen zu finanzieren.

Das ZDF entschuldigte sich am 31. Juli 2013, Arte am 14. August 2013, wobei beide Seiten betonten, dass ihnen bei der Übersetzung aus dem Französischen dieser bedauerliche Fehler unterlaufen sei. Am 11. April 2016 erklärte zudem das ZDF, es habe „irrtümlich die falsche Formulierung ‚polnische Konzentrationslager Majdanek und Ausschwitz‘ verwendet. Selbstverständlich handelt es sich um deutsche Vernichtungslager im besetzten Polen. Die Dokumentation lässt an diesen Fakten keinen Zweifel aufkommen.“

Doch der ehemalige KZ-Häftling gab sich mit dieser Entschuldigung nicht zufrieden. Er verlangte das Eingeständnis eines nicht irrtümlichen, sondern bewussten Handelns. Entsprechend klagte er vor dem Krakauer Bezirksgericht. Dieses wies die Klage ab, woraufhin der Kläger Berufung einlegte. Am 22. Dezember 2016 entschied das Krakauer Appellationsgericht zu seinem Gunsten und verpflichtete das ZDF zur Veröffentlichung einer vorformulierten Entschuldigung für die „unkorrekte und die Geschichte des polnischen Volkes verfälschende Formulierung, die unterstellt, dass die Vernichtungslager Majdanek und Ausschwitz von Polen errichtet und geführt wurden.“ Dss ZDF kam dieser Aufforderung nach und veröffentlichte am 23. Dezember 2016 einen Monat lang die vorformulierte Erklärung.

Dies reichte dem Kläger immer noch nicht. Er beantragte am 23. Januar 2017, das Urteil des Appellationsgerichts für vollstreckbar zu erklären, das in seinem Sinne entschied.

Nun legte das ZDF beim Bundesgerichtshof (BGH) Rechtsbeschwerde ein. In seinem ausführlich begründeten Urteil wies der BGH den Antrag des ehemaligen KZ-Häftlings auf Urteilsvollstreckung zurück. Allerdings hat der BGH in seiner Urteilsbegründung anerkannt, dass die Formulierung „polnische Vernichtungslager Majdanek und Ausschwitz“ im Widerspruch zu den Tatsachen steht und damit nicht das verfassungsmäßige Recht auf Meinungsfreiheit geschützt ist. Es stellte zugleich fest, dass das ZDF nicht absichtlich eine Verfälschung der Geschichte vorgenommen hat und auch nicht suggerieren wollte, dass Polen für die Errichtung und Betreibung dieser Lager verantwortlich ist. Die Rechtsprechung des BGH bedeutet aber auch, dass der Gebrauch der Formulierung „polnische Vernichtungslager“ mit der Absicht, nicht Deutschland, sondern Polen dafür verantwortlich zu machen, nach deutschem Recht strafbar ist und von deutschen Gerichten geahndet werden kann.

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