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Der Synodale Weg auf Polnisch 09. 08. 2022


Die von Papst Franziskus am 9./10. Oktober 2021 einberufene Bischofsversammlung zur Synodalität der Kirche ist anders als alle vorhergegangenen Römischen Bischofssynoden. Sie erstreckt sich über zwei Jahre und soll im Oktober 2023 mit einem Schlussdokument beendet werden.

In seiner Eröffnungsansprache rief Papst Franziskus alle Gläubigen dazu auf, am Leben der Kirche und ihrer Sendung teilzunehmen. „Wenn nicht das ganze Volk Gottes teilnimmt, besteht die Gefahr, dass die Rede von der Gemeinschaft nur eine fromme Absicht ist. […] Die Teilnahme aller ist eine wesentliche kirchliche Verpflichtung!“

Der Papst betonte die Notwendigkeit von Dialog und Interaktion, insbesondere zwischen Priestern und Laien. Es gehe um eine Korrektur der Kirche „von oben herab“. Er beschwor zudem die Gefahr einer „Immobilität“, die sich vor allem in „alten Lösungen für neue Probleme“ äußere.

Diese Absichtserklärung des Papstes bestimmt das Procedere der Bischofssynode. Sie hat ihren Ausgangspunkt in den Pfarreien der Weltkirche. Priester und Gläubige der kirchlichen Basis sind zu einer Bestandsaufahme eingeladen, die sich an den drei Leitworten der Synode, an Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung, orientieren soll. Auf einem gemeinsamen Weg von Priestern und Laien sollen, so die Hoffnung, die synodalen Versammlungen auf Pfarrebene zu einem „Impuls zum Wohl der Kirche werden, deren Teil sie sind.“

Als Materialien standen den Pfarreien zwei umfangreiche Texte zur Verfügung – das Vorbereitungsdokument „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung“ sowie ein Vademecum, eine Art Leitfaden mit konkreten Anregungen und Fragen, aber auch mit der Warnung, „immer nur `Probleme` zu sehen. Wenn wir uns nur auf die dunklen Seiten konzentrieren, verlieren wir die hellen Seiten aus den Augen.“

In der zweiten Phase wurden die Berichte aus den Gemeinden auf der Bistumsebene zu Synthesen zusammengefasst und möglichst publiziert. Die Synthesen bilden die Grundlage für die Erarbeitung einer ersten Fassung des Instrumentum laboris, die vom Generalsekretär der Bischofssynode zu erstellen ist und ihr als Vorlage für ihre Beratungen dienen soll.

Inzwischen liegen die Synthesen der polnischen Bistümer vor, wobei zehn Diözesen sie nicht publiziert haben, und dies wohl aus der Furcht, es könnte zu viel Negatives an die Öffentlichkeit gelangen. Ein erster Überblick zeigt, dass die Beziehung zwischen Priestern und Laien einer dringenden Verbesserung bedarf, dass es an einem Gemeinschaftsgefühl der Gemeinden mangelt, dass die Gläubigen im Kollektiv der Gemeinde anonym bleiben. Im Übrigen haben an den synodalen Gemeindeversammlungen fast nur eng mit der Gemeinde verbundene Gläubige teilgenommen.

Kritische Stimmen der kirchlichen Basis

Der Journalist Tomasz Terlikowski hat sich die Mühe gemacht, die Synthesen der einzelnen Diözesen auf kritische Stimmen zu untersuchen. Einleitend verweist er auf die Begrenztheit der Aussagen, denn nur 40% der polnischen Pfarreien haben sich am synodalen Prozess beteiligt, was nicht gerade für einen Enthusiasmus für den synodalen Weg spricht. Zudem seien Jugendliche und Randchristen kaum beteiligt gewesen. „Es fehlte die Überzeugung, dass die Synode irgendetwas verändern kann. Und es gelang auch nicht, eine Atmosphäre offener Debatten zu schaffen.“ Dennoch lohne es sich, die synodalen Synthesen aufmerksam zu lesen, denn in ihnen würden die Probleme deutlich, mit denen es die polnische Kirche zu tun habe. Wenn die Diagnose der aktuellen Situation „Priester, Bischöfe und engagierte Laien nicht aufschreckt, dann weiß ich nicht, welches Erdbeben dies noch zu schaffen vermag.“

Eine Kirche ohne Sacrum

Polnische Katholiken vermissen in ihrer Kirche offenbar das, was an und in ihr wesentlich ist. Die Kirche sei zu einem „Salz geworden, das seinen Geschmack verloren hat.“ Die kirchliche Verkündigung erfährt eine scharfe Kritik: Man erkenne, dass sich die Priester kaum auf ihre Predigt vorbereiten. Anstatt das Evangelium auszulegen, wie es die Homilie verlangt, würde moralisiert oder die politische Meinung des jeweiligen Priesters den Gläubigen von der Kanzel herab aufgedrängt. Das alles sei ein Gerede ohne Bezug zur biblischen Botschaft. Wobei insbesondere die Politisierung die Gläubigen abschrecke und aus der Kirche treibe. Priester, die sich in dieser Weise verhalten, müssten kirchlich bestraft werden.

Den Gläubigen werde auf diese Weise vorenthalten, was sie für ihr Glaubensleben dringend benötigen: Anleitung zur Meditation und zur Vertiefung ihrer Beziehung zu Gott wie zu ihren Nächsten.

Aber wer soll ihnen dies vermitteln, wenn die Priester selbst kein geistliches Leben führen, nicht meditieren? Wenn sie selbst nicht beten können, ja wenn manche Priester ihren Glauben verloren haben?

Es gibt in der polnischen Kirche offenbar das „Phänomen ungläubiger Priester“, die „Gott verloren haben“, für die die Kirche nichts weiter ist als ein „finanzielles Konsortium“, wobei sich viele Priester wie Geschäftsleute verhalten und „nicht wie Männer des Glaubens“.

Der allgegenwärtige Klerikalismus

Es fehlt in den Synthesen nicht das Bild einer Kirche, die keiner Veränderung bedarf, in der alles bestens läuft, von der die Gläubigen begeistert sind und die Priester ihre Pflichten voll erfüllen.

Doch es ist ein trügerisches Bild, denn gleichzeitig ist die Rede von einer Überhöhung der Kleriker, die von ihrer Erwählung und ihrem besonderen Wert überzeugt sind. „Die Priester betrachten die Kirche als ihr Eigentum, über das allein sie verfügen und berechtigt sind, über alles zu entscheiden.“ Sie betrachten ihre Mitmenschen von oben herab, haben ihnen gegenüber Vorurteile und machen dadurch gesunde Beziehungen unmöglich. „Die Versammlungen wurden durch den Pfarrer dominiert, der ein Gespräch über die Probleme der Pfarrei nicht zuließ und eine nur allgemeine Diskussion über die Kirche vorschlug.“

Das ist Klerikalismus, auch wenn der Begriff in den Synthesen vermieden wird. Und an diesem Klerikalismus haben auch Laien ihren Anteil. Sie sind in einer Welt der Distanz zum Priester aufgewachsen. Und sie unterstützen noch zum Teil dieses überkommende System. „Die Teilnehmer der Synode betonen, dass die Priesterberufung etwas Außergewöhnliches ist. Der Priester ist geweiht. Wenn wir auf ihn allein aus menschlicher Perspektive blicken, begreifen wir dies nicht zur Gänze.“ Diese sakrale Überhöhung des Priestertums ist die Quelle des Klerikalismus.

Kritik an den Bischöfen

Die an den Priestern und am Priestertum geübte Kritik betrifft in einem noch höheren Maße die Bischöfe. Ihnen sind oft die Probleme ihrer Priester und Gläubigen fremd. Es mangelt an Kommunikationskanälen als Voraussetzung eines wechselseitigen Verständnisses. Das hat Konsequenzen für die Hörbereitschaft und die Hörfähigkeit. „Die Gläubigen werden nicht von den Priestern gehört, die Vikare und Katecheten nicht von den Pfarrern, der Pfarrer nicht vom Bischof.“ Entscheidungen werden ohne Dialog, ohne Konsultation, eigenwillig von oben herab getroffen. Unter den Bedingungen einer stark hierarchisch strukturierten Kirche kann kein Vertrauen wachsen.

Die Bischöfe sind es gewohnt, zu und nicht mit den Gläubigen zu sprechen. Diese empfinden diese autoritäre Art als Mangel an wahrer Autorität. „Auf die Bischöfe hört man nicht, denn sie werden als nicht authentisch wahrgenommen.“

Man sollte meinen, dass diese Situationsbeschreibung, wenn nicht gleich zu radikalen, so doch zu maßvollen Forderungen realer Veränderung führen würde. Doch dies ist nicht der Fall. Man fürchtet offenbar den deutschen Synodalen Weg und bringt dies auch in den Synthesen zum Ausdruck. Die Kirche ist hierarchisch und soll hierarchisch bleiben. Eine „Demokratisierung in der Kirche“ darf und kann es nicht geben.

In den Synthesen fast aller Bistümer findet sich dieses Bekenntnis zur hierarchisch strukturierten Kirche. Dies schließt, wie gehabt, die Teilhabe von Laien an kirchlichen Entscheidungen sowie die Kontrolle kirchlicher Machtausübung grundsätzlich aus. Lediglich in der Synthese des Posener Erzbistums findet sich ein Ansatz struktureller Veränderung, indem ein großer, wenngleich kein entscheidender Einfluss der Gläubigen auf Bischofsernennungen gewünscht wird.

Es bleibt im Grunde alles beim alten

Die Konsequenz aus all dem ist, dass das bestehende kirchliche System nicht in Frage gestellt wird und lediglich Verbesserungen in seinem Rahmen eingefordert werden. Doch was ist, wenn das bestehende System Verbesserungen nicht zulässt, sie zumindest äußerst erschwert. Denn Priester und Bischöfe sind ja durch das bestehende System geprägt, sind ihr lebendiges Abbild. Der Appell an den guten Willen wird kaum zu einem Wandel der Mentalität und des Verhaltens derer ausreichen, die in der Kirche das Sagen haben. Terlikwoski kommt denn auch zu folgendem Schluss: „Ein realer, tiefgreifender Wandel verlangt nicht nur die persönliche Heiligkeit der Hirten, nicht nur Gebet und die Hoffnung, dass dank des guten Willens (doch auch der ist begrenzt durch den Charakter des kirchlichen Systems) alles auf wunderbare Weise anders wird. Dazu braucht es gleichfalls einschneidende institutionelle Veränderungen. Soll der Bischof keine absolute Macht mehr ausüben, soll er Priester und Gläubige anhören, dann muss es dazu eine reale Methode eines institutionellen `Zwangs` zu einer solchen Haltung geben, und wenn nötig – seine Kontrolle und Abberufung. Soll sich der Pfarrer nicht mehr als `Eigentümer` der Pfarrei fühlen, dann muss es neben ihm eine institutionelle Kontrolle und einen entscheidungsbefugten Finanzrat geben, und er selbst muss wissen, dass er nach einer bestimmten Zeit – aufhört, Pfarrer zu sein (wie dies bereits in Ordenspfarreien der Fall ist). Soll die Stimme der Laien irgendeine Bedeutung besitzen, dann muss sie auf die Ernennung (und Abberufung) von Pfarrern und Bischöfen Einfluss nehmen können.“

Scharfe Abgrenzung zum deutschen Synodalen Weg

Keine von den deutschen Katholiken im Rahmen des Synodalen Weges erhobene Reformforderung findet in den Synthesen ihren Niederschlag. Das ist verwunderlich, denn es gibt auch in Polen als Reaktion auf die zahlreichen Missbrauchsfälle eine Diskussion um den Pflichtzölibat der Priester und den Klerikalismus. Dass man diese Diskussion in den Synthesen vergeblich sucht, dürfte auf das Schreiben von Erzbischof Stanisław Gądecki, den Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz, zurückzuführen sein. In der Form höflich, doch in der Sache entschieden mahnte er am 22. 02. 2022 den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, nicht vom Weg des wahren Glaubens abzuweichen: „Getreu der Lehre der Kirche sollten wir nicht dem Druck der Welt nachgeben oder uns den Mustern der vorherrschenden Kultur unterwerfen, da dies zu moralischer und spiritueller Korruption führen kann. Vermeiden Sie die Wiederholung gängiger Parolen und Standardforderungen wie Abschaffung des Zölibats, weibliches Priestertum, Kommunion für Geschiedene oder die Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen.“ Und zur Frage der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern verweist Gądecki auf den Text „Frauen in Ämtern und Ämtern in der Kirche“ und zitiert, Papst Johannes Paul II., der diese Frage definitiv entschieden habe: „Daher erkläre ich aufgrund meines Amtes, um jeden Zweifel in einer Angelegenheit von so großer Bedeutung zu beseitigen, die die göttliche Errichtung der Kirche betrifft, dass die Kirche keine Autorität bessitzt, überhaupt Priesterinnen zu ordinieren, und dass dieses Urteil von allen Gläubigen der Kirche für endgültig erklärt werden sollte“ (Ordinatio Sacerdotalis , 4).Die Argumente sind nicht so gewichtig, wie sie erscheinen, denn die Kirchengeschichte kennt genug Beispiele einer Korrektur der Lehrmeinung aufgrund von Erkenntnissen der weltlichen Wissenschaften. Der „Fall Galilei“ ist nur der bekannteste, keineswegs der einzige Beleg.

In den von Rechtskatholiken genutzten Medien findet man sogar gehässige Bemerkungen zum deutschen Synodalen Weg: „Der Synodale Weg ist eine ketzerische Bewegung, weil er die Autorität des Papstes untergräbt und vom kulturellen Marxismus und anderen politischen Ideologien geleitet wird.“ Hier geht es wohl kaum um Argumente, sondern um die Schaffung einer Atmosphäre strikter Ablehnung des für die polnische Kirche offenbar gefährlichen Bazillus, der mit allen Mitteln zu bekämpfen ist, um eine Ansteckung zu vermeiden.

Kein deutscher Sonderweg

Aus Sicht der polnischen Kirche haben sich die deutschen Katholiken auf einen gefährlichen Sonderweg begeben, der sie am Ende aus der kirchlichen Gemeinschaft herausführen könnte. Unterstützt wird diese Position durch eine am 12. 04. 2022 veröffentlichte Stellungnahme von 74 Bischöfen aus vier Kontinenten, darunter allein 48 Amerikaner, allerdings ohne den Vorsitzenden der amerikanischen Bischofskonferenz und sechs Metropoliten im Kardinalsrang. Auf diese Weise entsteht in der Tat der Eindruck, dass die deutschen Katholiken mit ihrem Synodalen Weg in der Weltkirche isoliert sind.

Dass dies nicht der Fall ist, zeigt Piotr Sikora[1], Redaktionsmitglied des Tygodnik Powszechny, anhand von Synthesen aus etlichen europäischen Ländern sowie aus den USA, Chile und Südkorea. Er konnte nachweisen, dass es neben Synthesen wie die der polnischen Bistümer durchaus Reformforderungen in völliger Überstimmung mit denen des deutschen Synodalen Weges gibt. Sein Fazit: „Eine Übersicht der bereits publizierten synodalen Synthesen aus verschiedenen Teilen der Welt zeigt, dass die im Synodalen Weg engagierten deutschen Katholiken nicht einsam sind, wenn es um die Erkenntnis der Notwendigkeit fundamentaler Veränderung in Lehre und Praxis der Kirche in vielen für das Funktionieren der Gemeinschaft wesentlichen Bereichen gibt.“





[1] Piotr Sikora, Szukając wspólnoty (Suchende Gemeinschaft), Tygodnik Powszechny v. 24. 07. 022, S. 36f.

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