Liquidierung von Memorial
Memorial, die wichtigste Organisation zur Aufarbeitung der in der Sowjetzeit begangenen Verbrechen, gibt es nicht mehr. Sie wurde verboten. Gegründet wurde sie 1988 zur Zeit der Perestroika. Ihr Gründer, der 2017 verstorbene Historiker Arseni Roginski, war selbst ein Opfer sowjetischer Gewaltherrschaft. Er kam im Gulag zur Welt. 1981 zu einer Lagerhaft verurteilt, verbrachte er als Dissident erneut vier Jahre an diesem Ort des Schreckens.
Über 30 Jahre widmete sich Memorial der Reinigung des russischen nationalen Gedächtnisses sowie dem Gedenken an die Opfer sowjetischer Repressalien. Zahlreiche detaillierte Untersuchungen belegen den staatlichen Terror jener Jahrzehnte. Besonders bemerkenswert ist eine umfangreiche Publikation, die namentlich die vom sowjetischen Geheimdienst in Katyn ermordeten polnischen Offiziere dokumentiert. In den letzten Jahren geriet Memorial zunehmend unter politischen Druck. Neben anderen NGOs fand auch diese Organisation ihren Platz auf der „Liste der Agenten“, wozu es ausreicht, aus dem Ausland Spenden zu erhalten.
Bezeichnend für die Willkür der unter Putin staatlich gelengten Justiz sind die Worte der Anklage des russischen Staatsanwalts Aleksiej Zafiewow: „Memorial ist eine Gefahr für die Gesellschaft, beschmutzt das historische Gedächtnis, versucht, die nazistischen Verbrecher und die Verräter des Vaterlandes zu rehabilitieren, schafft ein verlogenes Bild der Sowjetunion und des Gedenken an den Krieg. Sollen wir, die Nachkommen der Sieger, uns schämen statt Stolz auf unsere glorreiche Vergangenheit zu sein?“
Das Verbot von Memorial ist eine politische, vom Kreml getroffene Entscheidung. Putin und seinen Leuten stand Memorial im Weg, bildete ein Hindernis für die Verwirklichung ihrer geschichtspolitischen Ziele, für die Erneuerung des Glaubens an die Größe eines fleckenreinen Russlands, das nur Helden und Verräter kennt.
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