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Polens Reparationsforderungen an die Bundesrepublik 06. 09. 2022

Polens Reparationsforderungen an die Bundesrepublik

Am 01. September 2022, dem 83. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, versammelten sich die Spitzenpolitiker der regierenden Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) im Warschauer Königsschloss, einem symbolträchtigen Ort. Vor Journalisten aus aller Welt wurde präsentiert, was lange erwartet worden war, die Reparationsforderungen für die im Zweiten Weltkrieg von Deutschen verursachten Kriegsschäden an Material und Menschenopfern. Die vorgestellte astronomische Summe beläuft sich auf 6 Billionen, 200 Milliarden Zł, was einem Betrag in Höhe von 1,6 Billionen € entspricht, das Dreifache des Bundeshaushaltes.

Das Problem der Reparationsforderungen hat eine lange und verwickelte Geschichte. Im Potsdamer Abkommen von 1945 hatte sich die Sowjetunion verpflichtet, aus den von ihr besetzten deutschen Gebieten Reparationen an Polen zu entrichten. In Wahrheit beutete die UdSSR diese Gebiete für sich aus, ohne dass Polen davon einen nennenswerten Nutzen hatte. Experten sprechen daher davon, dass Polen diese „Reparationen“ selbst bezahlt habe., etwa durch die endlosen nach Osten rollenden Kohlenzüge.

1953 verzichtete das kommunistische Polen auf Reparationsleistungen und bestätigte den Verzicht auch auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen, wie dies aus einem Protokoll hervorgeht. Doch die polnische Regierung macht geltend, dass dies auf sowjetischem Druck geschah und daher rechtlich nicht bindend sei – ein Argument, das kaum vor dem Haager Internationalen Gerichtshof Bestand haben dürfte.

2004 wurde die Reparationsfrage zu einem deutsch-polnischen Politikum. Als die ostpreußischen Vertriebenen über ihre „Treuhand“ gegenüber Polen ihre Ansprüche auf ihre ehemaligen Besitztümer erhoben. Die Polen reagierten empört. Im Sejm kam es zu stürmischen Szenen. Man beschloss, unverzüglich damit zu beginnen, den Wert der von Deutschen verursachten Kriegsschäden zu ermitteln. Es kam zu einer starken Störung der deutsch-polnischen Beziehungen. In dieser Situation reiste Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Warschau und versicherte, dass seine Regierung die Bemühungen der „Treuhand“ in keiner Weise unterstütze und dass sie erfolglos sein würden. Die Wogen glätteten sich wieder, und der polnische Ministerrat bestätigte am 19. Oktober 2004 die Verzichtserklärung von 1953.

Eine letzte Möglichkeit, gegenüber der Bundesrepublik Reparationsforderungen geltend zu machen, wären die zum 2+4-Vertrag führenden Verhandlungen gewesen, mit dem die mit dem Zweiten Weltkrieg verbundenen Probleme endgültig geregelt wurden. Doch Reparationsforderungen spielten in diesem Rahmen keine Rolle.

Dass Reparationsforderungen, aufs Ganze gesehen, weder für das kommunistische, noch für das demokratische Polen nach 1989 kaum von Bedeutung waren, hat seinen Grund nicht allein in der Verzichtserklärung. In all den Jahren besaß die Grenzfrage für Polen absolute Priorität. Geklärt wurde sie vorläufig durch den Warschauer Grundlagenvertrag, endgültig als Ergebnis der 2+4-Vedrtrages.

Nach all dem überrascht es denn doch, dass 2017 der Sejm eine vom Abgeordneten Mularczyk geleitete „Parlamentarische Kommission zur Schätzung der Höhe der Polen gebührenden Entschädigung für die von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden“ berufen wurde. Ergebnis ihrer fünfjährigen Arbeit sind drei am 1. September vorgestellte umfangreiche Bände und die bekannt gegebene astronomische Summe.

Dass die deutsche Seite diese Forderung zurückweist, steht außer Frage. Ob die PiS-Regierung versuchen wird, ihre Ansprüche beim Haager Internationalen Gerichtshof einzuklagen, ist eher unwahrscheinlich. Allein schon die Verzichtserklärungen lassen eine solche Klage 77 Jahre nach Kriegsende chancenlos erscheinen. Warum aber dann dieser Aufwand? Kommentatoren sehen den Grund vor allem darin, sich durch Anheizen einer antideutschen Stimmung den Wahlsieg im Herbst 2023 zu sichern. So überbieten sich derzeit in Zusammenhang mit den Reparationsforderungen PiS-Leute mit antideutscher Hetze: Über mehrere Generationen sollen die Deutschen auf den Knien um Vergebung bitte für ihre im Krieg begangenen Verbrechen und das Geld fließen lassen. Und Parteichef Kaczyński wird nicht müde zu betonen, die Deutschen wollten mit ihrem Einfluss in der Europäischen Union Polen vernichten. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Sieci“ sagte er mit Blick auf die Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission, ihr Ziel sei nicht die Verteidigung europäischer Rechtstaatlichkeit, sondern die Demontierung der Rechtstaatlichkeit in Polen. „Man versucht, uns die Freiheit, die Souveränität zu nehmen und noch dazu uns auszurauben. Es ist höchste Zeit, daraus Schlüsse zhu ziehen.“ Und an andrer Stelle behauptet er allen Ernstes, Deutschland sei für Polen eine größere Bedrohung als Russland. Und das angesichts von Putins Vernichtungskrieg gegen den ukrainischen Nachbarn. Der Journalist Wieliński sieht denn auch in den Reparationsforderungen „nichts anderes als eine auf den Gräbern der Opfer des Dritten Reiches und der auf den Ruinen der von deb Deutschen zerstörten polnischen Städte geführte Wahlkampagne.



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