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Wer ist Putin, und was will er


Die amerikanische Journalistin und Polenexpertin Anne Appelbaum und Donald Tusk, Polens ehemaliger Premier und jahrelanger EU-Ratspräsident, veröffentlichten unter dem Titel „Wybór“ (Die Wahl) einen Gesprächsband, in dem sie ihre Ansichten zur Person und Politik Putins austauschten.

Aufgrund persönlicher Begegnungen mit Putin zeichnet Tusk vom russischen Präsidenten das Bild eines zugeknöpften, dialogunfähigen Politikers, der in Monologen seine militärische Macht demonstriere und in der Lage wäre, jeden Nachbarn zu vernichten. Als Imitation eines Diktators liebe er es, eine Drohkulisse aufzubauen, um seinen Gesprächspartner zu beeindrucken. Er sei humorlos, ohne Charisma, gefühlsarm.

Auf westlichen Parkett erscheine Putin unsicher. Vom KGB geprägt fühle er sich von Feinden umgeben, die nichts anderes im Sinn hätten als eine Schwächung Russlands. Im Bewusstsein, sich auf feindlichem Territorium zu befinden, verhalte er sich kühl, distanziert und äußerst vorsichtig.

Für ihn als Politiker zähle nur Macht und Interesse. Putin verabscheue geradezu eine politische Zivilisation, für die Macht nicht das einzige Kriterium ist. Damit sei er die gegensätzliche Verkörperung zur westlichen, auf Ausgleich und Kompromisse bedachten politischen Kultur.

Wie jeder reine Machtpolitiker zeige Putin Züge von Zynismus. Als auf der Krim plötzlich die grünen Männer auftauchten und man in der Ukraine und im Westen in dieser Verkleidung zu Recht russische Spezialeinheiten vermutete, stellte Putin dies mit dem Hinweis in Frage, derlei Uniformen könne man in jedem Geschäft kaufen. Noch zynischer ist Putins Bemerkung, die Annahme, der russische Geheimdienst habe Nawalny vergiftet, sei völlig abwegig, denn hätte sie dies getan, würde Nawalny nicht mehr leben. Putin möchte offenbar als Zyniker wahrgenommen werden, als ein Mann, der keine Schwäche kennt und der nach der Devise handelt, was kann mir schon passieren.

Trotz einstudierter Arroganz sei Putin von Angst besessen, es könne zu einem Aufstand gegen ihn kommen. Daher gehe er mit aller Härte gegen die russische Opposition und ihre demokratischen Losungen vor. Er befürchtete, die demokratische Bewegung in der in Belarus könne auf Russland übergreifen. Als Lukaschenko angesichts der Masseproteste kurz vor seinem Ende stand, sei zur Absicherung seiner Macht am 18. August 2020 eine Maschine mit russischen Geheimdienstlern in Minsk gelandet. Parallel dazu habe Putin im eigenen Land die Opposition verschärft verfolgt.

Putins Politik gegenüber dem Westen

Je geschlossener der Westen erscheine, umso mehr fühle sich Putin bedroht. Er setze daher alles daran, die UJSA, die Europäische Union und die NATO zu schwächen und zu destabilisieren. Er finanziere linke wie rechte antieuropäische Kräfte. Besonders aktiv sei Russland in den sozialen Medien, in denen gezielt falsche und manipulierte Nachrichten massenhaft verbreitet würden. Wo immer dies möglich sei, gieße Putin Öl ins Feuer. Dies sei im Falle des Brexit sowie bei der Präsidentschaftswahl in den USA geschehen, die Trump einen knappen Wahlsieg bescherte. So seien die an sich harmlosen, doch zu einem Skandal aufgebauschten geknackten Mails von Hillary Clinton für den Wahlsieg Trumps entscheidend gewesen. Die Russen seien wahre Meister darin, selbst authentische Fakten durch Verdrehung und entsprechende Interpretation für ihre Zwecke auszuschlachten, wie dies gegenwärtig durch die Unterstützung westlicher Impfgegner der Fall sei. Appelbaum und Tusk sehen darin eine elastische, wirksame und preiswerte hybride Kriegführung.

Putin gelinge es auch, viele der fast 3,5 Millionen Russlanddeutschen für diese hybride Kriegführung zur Destabilisierung des Westens einzuspannen. Sie schauten russisches Fernsehen und würden die ohnehin russlandfreundlich eingestellte AfD wählen. Russlandfreundliche Politiker gäbe es auch in anderen Parteien. Beispielhaft sei hier das Verhalten von Gerhard Schröder, der kurz nach der verlorenen Bundestagswahl in Russland Karriere machte. Auch andere Politiker würden lukrativen Angeboten nicht widerstehen, wobei es genüge, dass sie sich hin und wieder positiv über Russland äußerten.

Putins fragwürdige Bekehrung

Der ehemalige KGBler Putin trage ostentativ ein Kreuz auf seiner Brust und bezeuge sich damit als orthodoxer Christ. Doch seine „Bekehrung“ sei nicht Ausdruck des Glaubens, sondern bloße Taktik. Neben dem Vaterländischen Krieg benutze Putin die orthodoxe Symbolik, um den Russen den Eindruck nationaler Einheit und Stärke des Staates zu vermitteln. Er bediene damit die Sehnsucht nach vergangener Größe und würde den Russen das Gefühl geben, etwas Besonderes zu sein. Entsprechende Geschichtspolitik nutze er zur Festigung seiner Macht.

Diese Etablierung einer nationalistischen, christlich-orthodoxen Identität Russlands bilde den bewussten Gegensatz zum angeblich amoralischen, die Homosexualität hoffierenden Westen. Hier zeige sich zudem eine Gemeinsamkeit mit der von Kaczyński und Orbán verfolgten Politik. Selbst bei einer antirussischen Rhetorik, die sich im Übrigen in letzter Zeit auffallend abgeschwächt habe, sei das von den Nationaldemokraten geführte Polen ins russische Fahrwasser geraten. Durch die Kontrolle der Gerichte und Medien gleiche sich Polen den Zuständen in Russland an und trage durch die Konflikte mit der Europäischen Union zu der von Puten betriebenen Destabilisierung bei.



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